Mountainbiker Stefan Hiene im Interview – Rohkost bedeutet keinen Verzicht thinkstockphoto.com

Mountainbiker Stefan Hiene im Interview – Rohkost bedeutet keinen Verzicht

  • Nils Borgstedt
Über die richtige Ernährung im Sport wird viel diskutiert. Gerade Leistungs- und ambitionierte Hobbysportler setzten häufig Nahrungsergänzungen ein, um ihren Körper optimal mit Nährstoffen zu versorgen. Ein Eiweißshake hier, ein Recovery-Drink da. Wer sich ohne künstliche Ergänzungen ernähren will, dem dient nicht selten Pasta als Energielieferant, Fleisch als Eiweißquelle. Etwas anders sieht es bei Stefan Hiene aus. Der 37-Jährige hat seine Ernährung seit ein paar Jahren umgestellt, Rohkost als Hauptbestandteil, und tritt regelmäßig bei professionellen Mountainbike-Rennen an. Wir haben mit ihm über seine Ernährung gesprochen.

netzathleten: Was genau bedeutet Rohkost für dich?
Stefan Hiene: Die Definition von Rohkost ist einfach: „Rohe Kost“ bedeutet, dass man die Lebensmittel roh isst. Da unser Leben fraktal aufgebaut ist, gibt es auch innerhalb der Rohkost unterschiedliche Meinungen, welche Lebensmittel in welchen Kombinationen roh verzehrt werden sollten und welche nicht. Deshalb lege ich auf Label und Definitionen schon länger keinen Wert mehr. Ich bezeichne mich lieber als Nährstofflogistiker und vermeide so den ganzen Stress, der damit verbunden ist, wenn ich zu einer bestimmten Gruppe dazugehören will.

netzathleten: Wie sieht es mit Gemüse aus, das normalerweise gekocht wird. Beispielsweise Kartoffeln, Bohnen. Steht das dann nicht auf deinem Speiseplan?
Stefan Hiene: Dinge, die roh nicht schmecken oder schlicht und ergreifend ungenießbar sind, lasse ich einfach weg. Statt Kartoffeln gibt es zum Beispiel roh essbare Süßkartoffeln, statt Bohnen roh essbare Erbsen.

Diejenigen, die der Meinung sind, sie müssten bei einer nährstoffreichen Ernährung auf etwas verzichten, haben in der Regel die immense Bandbreite an natürlichen Lebensmitteln noch nicht einmal ansatzweise kennen gelernt. Es gibt sogar Rohkostgerichte auf Gourmet-Niveau, die der Sterneküche in nichts nachstehen.

Bei meinem Experiment interessiere ich mich aber weniger für den gustatorischen Reiz als dafür, wie ich die größtmögliche Menge an Nährstoffen in der schnellstmöglich verwertbaren Form zu mir nehmen kann.

netzathleten: Was sind deine persönlichen Erfahrungen in Bezug auf Ernährung und Leistungsfähigkeit?
Stefan Hiene: Meine Erfahrungen lassen sich sehr einfach zusammenfassen: Je stärker ich auf die Qualität und schnelle Assimilierbarkeit meiner Ernährung achte, desto weniger muss ich essen. Da die Verdauung den größten Teil der Energie verbraucht, bieten mir leichtverdauliche natürliche Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte immense Vorteile – ich habe weniger Stress bei der Verdauung und einen höheren Netto-Energiegewinn bei optimaler Versorgung.

netzathleten: Und bezogen auf den Sport. Welche Veränderungen hast du hier festgestellt?
Stefan Hiene: Früher hatte ich starken Heuschnupfen und musste oft drinnen bleiben, während alle anderen draußen waren und den Sommer genießen konnten. Nach den Rennen hatte ich so starke Kopfschmerzen und war so müde, dass ich nicht mehr Auto fahren konnte und sofort schlafen musste. Diese Abgeschlagenheit und auch der Heuschnupfen sind komplett verschwunden. Außerdem kann ich selbst unmittelbar nach dem Essen trainieren gehen, weil ich mich nach dem Essen nicht mehr träge oder schwer fühle.

netzathleten: Als Sportler nimmst du keine Nahrungsergänzungsmittel wie Aminosäuren, Kreatin, und ähnliches. Ok, nachvollziehbar. Aber warum auch keine Pasta, kein Fleisch, also klassische Kohlenhydrat- und Eiweißlieferanten?
Stefan Hiene: Die eigentlichen Klassiker im Bereich der Kohlehydrat- und Eiweißlieferanten sind frische Früchte, Gemüse, Samen, Sprossen und Nüsse. Pasta und Fleisch sind von einem Klassiker wirklich sehr weit entfernt. Nur weil uns seit einigen Jahrzehnten alles im Überfluss und meist auch noch in geringer Qualität zur Verfügung steht, heißt das noch lange nicht, dass es ein Klassiker ist.

Ein Klassiker ist immer etwas, was schon lange einfach und in überragender Qualität verfügbar ist und was leicht erhältlich ist. In Nord-Italien sind das in den Wintermonaten zum Beispiel Maroni oder Walnüsse und in ganz Europa ganz generell Gemüse, Wildkräuter oder Gras. Wenn du Wildgras erntest und entsaftest ist es ausgeschlossen, dass du an Nährstoffmangel stirbst, da es Aminosäuren, Mineralstoffe und auch Kohlenhydrate in großen Mengen enthält. Ich behaupte nicht, dass es besonders gut schmeckt, aber ein Mangel oder gar verhungern ist ausgeschlossen.

netzathleten: Andererseits hast Du in einem anderen Interview gesagt, dass du bei Mineralstoffen und Spurenelementen natürliche Nahrungsergänzungen zu dir nimmst. Führst du damit die Natürlichkeit deiner Ernährung nicht ad absurdum?
Stefan Hiene: Ich sehe da keinen Widerspruch, weil ich diesen Selbstversuch nicht mache, um Normen, Vorschriften oder Labels zu erfüllen, sondern um Neues zu erfahren.

Als Nährstofflogistiker ergänze ich meine Nahrung zum Beispiel mit Aloe Vera, Chlorella, Effektiven Mikroorganismen, Mikromineralien, Maca, Moringa und Zeolith. Diese Nahrungsmittel interessieren mich aufgrund ihrer Nährstoffdichte, der überlieferten Tradition und ihrer überragenden Eigenschaften als Energielieferanten. Rechtlichen Vorschriften und die Ideen von „Kampfköstlern“ interessieren mich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht.

Wenn ich versuche, eine Definition zu erfüllen, verbaue ich mir interessante Erfahrungen. Beim Desert Dash in Namibia hatte ich zum Beispiel schon zur Hälfte des Rennens das erste Mal in meinem Leben so starke Bein- und Fußkrämpfe, dass ich aufgeben wollte. Meine letzte Hoffnung war eine halbe Flasche Mikromineralien, die ich sofort getrunken habe. Nach 20 Minuten waren meine Krämpfe komplett verschwunden und ich konnte das Rennen gemeinsam mit meinem Teampartner und Rennfreund Johannes Hinterseer nicht nur zu Ende fahren sondern sogar gewinnen.

netzathleten: Von vielen Experten wird eine reine Rohkosternährung nicht empfohlen, allerdings essen auch viele zu wenig davon. Ist nicht die goldene Mitte der richtige Weg, also eine Mischung aus Rohkost und anderen, gekochten Lebensmitteln?
Stefan Hiene: Ich halte nicht viel von den so genannten Experten. Die meisten Experten sind weder Profis noch Pioniere, sondern Menschen, die sich auf ihre bequemste Komfortzone zurückgezogen haben und von diesem Standpunkt aus andere Menschen beurteilen.

Ein echter Experte ist ein Profi und Pionier. Unter einem Profi verstehe ich jemanden, der Dinge, die er beurteilen möchte, selbst ausprobiert. Pioniere sind Profis, die von ihren außergewöhnlichen Erfahrungen berichten. Heutzutage sind die wenigsten so genannten Experten tatsächlich Profis und schon gar keine Pioniere. Die meisten Experten sind eigentlich Kritiker, die in Wahrheit gar nicht kritisch, sondern schlicht und ergreifend überängstlich sind!

„Kritisch“ ist nur ein Wort, das man uns als Vorwand gegeben hat, um nichts Größeres anzustreben. In Wahrheit haben wir nur keinen Mut größer von uns zu denken und zu träumen! Um skeptisch und für dich und andere entmutigend zu sein, bedarf es absolut überhaupt gar keiner Anstrengung. Die wenigsten von uns haben die Eier um selbst etwas auf die Beine zu stellen. Andere zu kritisieren ist wirklich sehr einfach – du lebst einfach die kleinste Version von dir selbst, kümmerst vor dich hin und versuchst währenddessen alle anderen klein zu halten.

Pioniere und Genies müssen in jedem Fall absolut zwingend vollkommen unabhängig von Kritik, Meinungen und so genannten Experten sein.

Außerdem ist die goldene Mitte für jeden Menschen etwas anderes. Wir sind alle individuell. Wir haben unterschiedliche Körpertypen, Konstitutionen, Veranlagungen, Vorbelastungen etc.

Niemand kann dir wirklich sagen, was für dich das absolut Richtige ist. Deshalb musst du es selbst herausfinden. Außenstehende sind als Experten nur dann hilfreich, wenn sie auch Profis und Pioniere sind und dich inspirieren. Wenn dich jemand nicht inspiriert, empfehle ich dir ihn zu ignorieren. Das ist die schnellste Methode um ein glückliches Leben zu führen.

netzathleten: Vielen Dank für das Interview.

Weitere Informationen zu Stefan Hiene und seinem Projekt gibt's unter: www.rawpower.de

Foto im Artikel: (c) Thorsten Jochim für rawpower.de

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