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Wie alles begann... Nia Künzer

  • Nils Borgstedt
Laureus-Botschafterin und Weltmeisterin Nia Künzer spricht in unserer Reihe "Wie alles begann..." über die Anfänge ihrer Karriere, ihr soziales Engagement und plädiert für die duale Karriere im Leistungssport.

netzathleten: Wie bist Du zum Fußball gekommen?
Nia Künzer: Hauptsächlich durch meine Brüder. Meine älteren Brüder haben schon im Verein gespielt und da habe ich wahrscheinlich zu meinen Eltern gesagt, dass ich das auch mal ausprobieren möchte. Das fanden meine Eltern anscheinend nicht so ungewöhnlich wie andere zu diesem Zeitpunkt. Sie haben mich dann in das Training der Jungenmannschaft gesteckt. Da bin ich dann auch fast 10 Jahre geblieben.

netzathleten: Also sind deine Eltern und Brüder auch so etwas wie Mentoren für dich gewesen?
Nia Künzer: Naja, meine Brüder haben ziemlich schnell wieder aufgehört mit dem Fußball. Insofern würde ich das jetzt nicht sagen. Aber klar, die Eltern sind, glaube ich, für fast jeden jungen Leistungssportler wichtig. Allein für die Fahrerei zu den diversen Trainingsorten und Spielen ist die Unterstützung natürlich notwendig. Und wenn man mal ein schlechtes Spiel gemacht, fangen einen die Eltern auch auf. Daher haben sie schon einen großen Anteil an der Karriere.

netzathleten: Und welche Trainer haben dich geformt?
Nia Künzer: Fußballerisch habe ich sehr viel von meinem Hessenauswahl-Trainer gelernt, Volker Piekarski. In der Nationalmannschaft hat mich Tina Theune geformt. Die Grundlagen habe ich natürlich im Verein gelegt und ich da hat mir der Konkurrenzkampf mit den Jungs sehr geholfen. Je älter wir wurden, desto schwieriger wurde es für mich. Das war eine gute Schule, durch die ich da gegangen bin.

netzathleten: Du hast eingangs angedeutet, dass zu der Zeit als Du angefangen hast, der Frauenfußball in der Öffentlichkeit noch nicht in dem Maße wahrgenommen und akzeptiert wurde wie jetzt. Haben sich für dich daraus Probleme ergeben?
Nia Künzer: Ach, ich war ja damals erst fünf Jahre alt und wollte einfach nur Fußball spielen. Ich selbst habe mir darüber wohl relativ wenig Gedanken gemacht. Da waren andere vielleicht eher erstaunt, wenn sie entdeckt haben, dass bei der gegnerischen Mannschaft auch ein Mädchen mitspielt. Es geht aber nicht nur um die Aufmerksamkeit der Sportart selbst, sondern viel mehr um die Frage „Was ist normal?“. Mittlerweile ist es, denke ich, relativ normal geworden, dass Mädchen sagen, sie wollen Fußball spielen. Das war damals eben noch nicht so. Ich glaube, in der Beziehung haben wir inzwischen den entscheidenden Schritt gemacht. Die Eltern wundern sich eben nicht mehr, wenn die Tochter sagt: Ich will Fußball spielen. Ich bin natürlich meinen Eltern dankbar, dass sie mir das ermöglicht haben und es nicht komisch fanden, ein Mädchen Fußball spielen zu lassen. Ich habe mich auch die fast 10 Jahre bevor ich wechseln musste ziemlich wohl gefühlt bei meinen Jungs.

netzathleten: Du hast im Laufe deiner Karriere immer wieder auch schwere Phasen durchmachen müssen, hattest unter anderem mehrere Kreuzbandrisse. Wer hat dir dann Halt gegeben?
Nia Künzer: Das waren im Grunde schon die Familie und Freunde, die solchen Situationen für einen da waren. Großteils auch die Freunde außerhalb des Fußballplatzes, schließlich gilt im Leistungssport häufig aus dem Auge aus dem Sinn. Und das meine ich gar nicht böse. Für die anderen geht ja das normale Programm weiter. Die haben jeden Tag gemeinsames Training, am Wochenende ihre Spiele und dann bleibt eben schnell der Kontakt auf der Strecke. Von daher habe ich auch immer wieder schätzen gelernt, was es bedeutet ein intaktes Umfeld zu haben. Rückblickend erkenne ich auch die Vorteile und Vorzüge dieser harten Zeiten, weil ich dadurch einfach gelernt habe, Dinge richtig einzuordnen.

netzathleten: Zudem hast du während deiner Karriere auch noch begonnen zu studieren. Wie hast du Leistungssport und Ausbildung unter einen Hut gebracht?
Nia Künzer: In meinen Augen ist Studium und Leistungssport die beste Kombination, weil man doch seine Freiheiten hat. Trotzdem ist eine duale Karriere auch dann schwierig. Nicht jeder Professor ist vom Leistungssport und den Fehlzeiten begeistert. Im Rückblick bin ich superstolz, dass ich das durchgezogen habe und profitiere jetzt definitiv davon. Ich kann nur jedem Leistungssportler eine duale Karriere ans Herz legen, auch wenn es hart ist. Aber es lohnt sich.

netzathleten: Und hast du einen Tipp, wie man die duale Karriere gut schaffen kann?
Nia Künzer: Einen Tipp zu geben ist schwierig. So etwas ist eine sehr individuelle Geschichte. Wenn man eine Ausbildung macht, braucht man beispielsweise einen sportbegeisterten Arbeitgeber, der das unterstützt und Kollegen, die akzeptieren, dass man öfter fehlt, weil man auf einen Lehrgang muss. Ich glaube, da können wir Deutschen noch viel lernen, was die Unterstützung der dualen Karriere für Leistungssportler angeht. Zumal ehemalige Leistungssportler mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung tolle Arbeitnehmer sind. Sie haben neben der fachlichen Qualifikation noch Lifeskills wie Disziplin, Zeitmanagement, Teamfähigkeit. Da würde ich, als Arbeitgeber sagen: Klasse, der hat es geschafft, seinen Leistungssport zu betreiben und gleichzeitig eine Ausbildung zu machen. Der wird auch seinen Job bei mir richtig gut erfüllen. Ich kann den Sportlern nur raten, es auf jeden Fall durchzuziehen, egal, wie lange es dauert.


netzathleten: Ein Plädoyer für die duale Karriere, die ohne Unterstützung nicht möglich ist. Unterstützung und Verständnis brauchen oft auch die Kinder, die an den Laureus-Sportprojekten teilnehmen. Du selbst bist Schirmherrin des Projekts Kicking Girls. Was gibst du den Kindern mit auf den Weg, wenn du sie triffst?
Nia Künzer: Was heißt mitgeben. Ich bin niemand, der dasteht und sagt, wie es läuft, sondern ich sehe einfach, was der Sport den Mädchen gibt. Und genau das wollen wir ja. Wir wollen nicht mit erhobenem Zeigefinger sagen, du musst deinen Weg gehen, denk daran die Schule zu machen. Wir erreichen durch den Sport vielmehr ganz andere Dinge. Zum Beispiel, dass die Mädchen selbstbewusst sind, dass sie wissen, was sie wollen, dass sie merken, wenn ich etwas will, kann ich das auch erreichen. Sie lernen mit Erfolgen umzugehen, aber auch mit Niederlagen. Darum geht es. Wenn man die Mädchen Fußball spielen sieht, die Freude, wenn sie ein Tor geschossen haben, diese Natürlichkeit – ich glaube, das ist für die Mädchen etwas ganz Besonderes.

netzathleten: Würdest du sagen, dass sich der Fußball dafür besonders anbietet?
Nia Künzer: Grundsätzlich sage ich nicht, Fußball ist das einzig Wahre. Der Fußball bietet aber viele Vorteile. Zum einen ist er hier in Deutschland Sportart Nummer eins, ist Gesprächsthema Nummer eins und übt von daher auch eine gewisse Faszination aus. Zum anderen ist Fußball ein Sport, der unglaublich einfach zu betreiben ist. Im Bereich Teamsport beziehungsweise Ballsport eigentlich der einfachste, der mit auf Anhieb einfällt. Man braucht strenggenommen nicht einmal einen Ball. Eine Cola-Dose als Ball, zwei Jacken als Tor und es kann losgehen. Bei Basketball, Handball, Volleyball braucht man eigentlich immer Equipment. Die Einfachheit des Spiels bietet eben schon viele Vorteile.

netzathleten: Dein ganzes soziales Engagement läuft ehrenamtlich. Wie viel Leidenschaft für die Projekte muss man mitbringen, dass man die ehrenamtliche Tätigkeit im Alltag noch unterbringen kann?
Nia Künzer: Das ist natürlich nicht immer ganz einfach neben dem eigenen Leben mit Familie und Beruf. Aber ich denke, wenn man mit offenen Karten spielt und den Organisationen sagt, dass es auch mal Zeiten geben kann, in denen man weniger macht, dann funktioniert das ganz gut. Hier und da muss man Abstriche machen, aber letztendlich hängt man doch mit Herzblut dran. Das sind ja Sachen, mit denen ich mich identifizieren kann und dann fällt es mir auch leicht dafür Zeit zu opfern. Ich sehe dieses Engagement als große Chance und Möglichkeit für mich mit, in Anführungszeichen, relativ geringen Mitteln gute Dinge zu bewirken und Aufmerksamkeit zu generieren.

netzathleten: Wird ehrenamtliches Engagement in Deutschland zu wenig gewürdigt?
Nia Künzer: Das ist schwierig zu sagen. Grundsätzlich kann man es nicht genug loben, genug wertschätzen. Ohne Ehrenamt würde die Deutsche Gesellschaft nicht funktionieren, glaube ich. Man kann daher sicherlich noch zulegen. Für mich persönlich muss ich aber sagen, ich möchte auch nicht jeden Tag Streicheleinheiten dafür haben. Ich mache das ja nicht, damit ich dafür von anderen gelobt werde. Das Engagement selbst gibt mir einfach auch unheimlich viel. Jeder der sich ehrenamtlich engagiert muss sich nur selbst bewusst machen, wie viel ihm die Sache gibt. Nicht materiell, sondern emotional.

netzathleten: Wie sieht für dich soziales Engagement idealer Weise aus?
Nia Künzer: Da gibt es kein Grundrezept. Ich würde mir wünschen, dass jeder in seinen Möglichkeiten schaut, was er tun kann. Es gibt ja wahnsinnig vielfältige Möglichkeiten sich ehrenamtlich zu engagieren. Das geht ja von Nachbarschaftshilfe und Freiwilligendiensten bis hin zu Auslandseinsätzen.

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