Laureus-Botschafter Michael Teuber – Wie alles begann
- Redaktion
Im August 1987 hatte Michael Teuber einen unverschuldeten Autounfall. Die Diagnose nach dem Unfall: Bruch des 2. und 3. Lendenwirbels mit kompletter Querschnittlähmung. Die Prognose der Ärzte war niederschmetternd: Rollstuhl! Nach nur zwei Jahren Rehabilitation begann er mit dem Radfahren. Seither gewann er vier Gold- und eine Silbermedaille bei den Paralympics und wurde 18 Mal Weltmeister auf dem Zweirad – auf Bahn und Straße. Über diesen beeindruckenden Lebensweg erfahrt Ihr mehr in unserem Interview:
netzathleten: Michael, wie verlief Deine Jugend vor dem Unfall, insbesondere in sportlicher Hinsicht?
Michael Teuber: Vor meinem Unfall war ich bereits leidenschaftlicher Sportler, allerdings mehr im Funsport-Bereich. Ich war Windsurfer, fuhr Snowboard und Ski. Wir waren sehr oft am Gardasee zum Surfen, der Unfall ist auf dem Weg nach Portugal passiert, wir wollten zum Brandungssurfen.
netzathleten: Im Vergleich zu den meisten anderen Spitzensportlern hattest Du also eine ganz normale Jugend, ohne intensives Training?
Michael Teuber: Meine Jugend selbst verbrachte ich zwar intensiv mit Sport und ich wollte mich ständig verbessern, bei dem was ich tat. Aber mit Hochleistungstraining hatte das noch nichts zu tun.
netzathleten: Der Autounfall ist nun 26 Jahre her. Neben den körperlichen Beschwerden, wie sehr hat er Dich seelisch belastet, tut das vielleicht heute noch?
Michael Teuber: Ich habe das Glück, mental so aufgestellt zu sein, dass mich der Unfall animiert hat, gegen die Erinnerungen und die Folgen des Unfalls anzugehen. Mit allen Mitteln und nachhaltigem Training. Ich wollte alles dafür tun, um aus dieser Lage wieder herauszukommen.
netzathleten: Durch Deinen Willen und eiserne Disziplin hast Du es dann tatsächlich geschafft, Dich aus dem Rollstuhl zu befreien. Wie aber bringt man einen solchen Willen auf?
Michael Teuber: Das ist schwer zu sagen, eine Faustregel, oder einen 7-Punkte-Plan zu mehr Willen gibt es nun mal nicht. Ich glaube auch nicht, dass jeder Mensch dazu aufgestellt ist, Leistungssportler zu werden. Das muss man in sich haben, neben dem Talent. Mehr tun als nötig. Zum Glück habe ich das unmittelbar nach dem Unfall gespürt, dass ich solche Ziele auch langfristig verfolgen kann. Nicht nur im Sport, auch im Studium. Zwischen 19 und 25 Jahren hatte ich da eine ganz prägende Phase.
netzathleten: Laureus unterstützt benachteiligte Jugendliche. Wie wurdest Du damals unterstützt, wer waren Deine Förderer?
Michael Teuber: In dieser für alle schwierigen Zeit waren meine Eltern und meine damalige Freundin, jetzige Frau, natürlich ganz wichtig. Von den Anfängen der Rehabilitation hat es ja dann noch acht Jahre gedauert, bis ich in den Leistungssport einsteigen konnte, in dieser Phase waren sie immer für mich da.
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netzathleten: Haben Dir denn Deine Ärzte nach dem Unfall Hoffnung gemacht?
Michael Teuber: Eigentlich kaum. Die Schulmediziner gingen davon aus, dass ich mich auf ein Leben im Rollstuhl einrichten müsse, weil die noch vorhandenen Restfunktionen in den Beinen nichts anderes zuließen. Einzig ein Internist, der auch homöopathisch arbeitete, und mein Operateur meinten, sie könnten sich vorstellen, dass einige Funktionen zurückkehren.
netzathleten: Hat die Reaktion der Schulmediziner eine Art Trotzreaktion in Dir hervorgerufen?
Michael Teuber: Trotz würde ich es nicht nennen. Ich habe meinen Körper schon richtig wahrgenommen, die Einschränkungen. Allerdings habe ich auch die Impulse gespürt, die durch die Verletzungsstelle, durch die Nerven dort, hindurch gingen. Dazu hatte ich eine gewisse Restsensibilität in den Beinen, habe also noch leicht etwas gespürt. Deshalb dachte ich auch: Mensch, das gibt es doch nicht, so kann das nicht bleiben. Wie lange das dauern würde und wie viele Funktionen wieder zurückkehren würden, das war alles nicht klar. Diese Unsicherheit machte es wirklich nicht einfacher, weil kein klares Ziel vorhanden war, auf das man hinarbeiten konnte.
netzathleten: Radrennen können ja durchaus auch gefährlich sein. Wie kommt man denn auf die Idee, nach so einem Unfall überhaupt wieder Risiko einzugehen und solche Rennen zu fahren?
Michael Teuber: Ich war ja früher Funsportler und das hat auch weiterhin in mir drin gesteckt. Nur durch den Unfall bin ich ja nicht vom einen auf den anderen Tag ein anderer Mensch geworden. Daher war es klar, dass es Outdoor weitergehen musste und ein wenig Adrenalin musste auch dabei sein. Zudem war das Training auf der Kurbel wesentlicher Bestandteil meiner Reha, vom Ergometer an, bis ich letztlich auf dem Mountainbike fahren konnte. Und bis heute fällt es mir leichter, mich auf dem Fahrrad fortzubewegen. Zum Gehen brauche ich nach wie vor meine Peroneus-Schienen, die die Fußgelenke von außen stabilisieren. Auf dem Rad kann ich die Kraft die ich noch habe, einsetzen und ich habe einen viel größeren Aktionsradius.
netzathleten: Das klingt alles, als sei es eine logische Konsequenz, dass Du nach dem Unfall Leistungssportler wurdest…
Michael Teuber: Zumindest hat mich das Hochleistungstraining nicht mehr schrecken können. Den härtesten Gegner meines bisherigen Lebens habe ich schon besiegt. Und dieser Kampf war ein zäher, weil die Fortschritte jeweils nur minimal waren. Wenn man diese Frustration besiegt hat, dann ist das Training auf eine WM hin schon wesentlich leichter. Auch wenn die WM noch einige Monate weg ist, die Motivation dafür kann ich heute problemlos aufbringen.
netzathleten: Wie bist Du zu Laureus gekommen?
Michael Teuber: In Kontakt kam ich mit Laureus, als ich 2002 zum ersten Mal für den World Sport Award nominiert wurde. Mir hat der Charme und die Idee der Laureus-Bewegung von Anfang imponiert, mit Sport Gutes zu tun. Dementsprechend war es eine riesige Ehre für mich, 2005 mit zu den ersten Laureus-Botschaftern überhaupt zu gehören.
netzathleten: An Deinem Beispiel lässt sich auch erkennen, wie wichtig das Engagement von Euch Sportlern für die Kinder ist. Sicherlich ist jeder Eurer Projektbesuche ein Highlight für die Kinder…
Michael Teuber: An Vorbildern orientieren sich Kinder ganz enorm. Das unterschätzt oder vergisst man, je älter man wird. Aber obwohl wir ja hier größtenteils in gesicherten Verhältnissen aufwuchsen, hatten auch wir unsere Vorbilder. Bedenkt man das, lässt sich in der Tat ermessen, wie wichtig und intensiv solche Treffen mit weltberühmten Sportlern wie Boris Becker und Franz Beckenbauer für die Laureus-Kinder sind, die nicht die besten Voraussetzungen haben, um sich gut zu entwickeln. Und Sportbotschafter wie Martin Braxenthaler und ich stehen dafür, dass man sich auch aus scheinbar ausweglosen Situationen wieder herauskämpfen kann. Das ist ja auch der eigentliche Kern der Laureus-Stiftung, dass über den Sport sehr viel möglich ist. Und um noch mal auf meine eigene Jugend zurückzukommen: Für mich als Surfer war die Legende Robbie Naish in der Jugend ein großes Vorbild. Umso schöner ist es, ihn jetzt durch Laureus persönlich zu kennen. Das sind die Möglichkeiten, die Laureus bietet, und von denen schon so viele Kinder weltweit profitiert haben.
netzathleten: Wie lange wirst Du Deinen scheinbar unbändigen Willen noch im Spitzensport ausleben?
Michael Teuber: Ich liebe und lebe den Sport. Die Leidenschaft, draußen unterwegs zu sein, treibt mich an, ist meine Lebenseinstellung. Deshalb werde ich nicht aufhören, mich zu bewegen. Und inzwischen hat sich zu dieser Einstellung auch der Gedanke dazugesellt, dass man mit dem nötigen Willen auch mit 45 oder 50 Jahren noch eine tolle Leistung bringen kann. Meine besten Jahre sind zwar vielleicht schon vorbei aber momentan kann ich mich noch motivieren und fahre auch noch vorne mit.
netzathleten: Vielen Dank für das Gespräch, Michael.
Wie Michael Teuber den Kilimandscharo bestieg und dabei 100.000 Pfund für die Laureus-Stiftung sammelte: