Nach der Kür die Pflicht: Wieder ganz viel richtig gemacht! MT Melsungen -- Ex-Nationalapieler, Europameister, Vize-Weltmeister, heute Sportvorstand des Handball-Bundesligisten MT Melsungen
Kennerblick – Olympia 2024

Nach der Kür die Pflicht: Wieder ganz viel richtig gemacht!

  • Michael Allendorf
In seiner Olympia-Kolumne zum DHB-Team bei den Olympischen Spielen von Paris blickt unser Experte Michael Allendorf (Sportvorstand MT Melsungen) mit seinem Kennerblick auf den souveränen Sieg im zweiten Spiel gegen Japan zurück und freut sich auf das Duell mit Kroatien.
Na, also: Unsere Handball-Jungs waren bei der ungeliebten Morgen-Session von Paris hellwach und haben den perfekten Start ins olympische Turnier hingelegt. Nach dem wichtigen Auftaktsieg gegen die favorisierten Schweden hat das Team von Alfred Gislason gegen die quirligen Japaner nun seinerseits die Favoritenrolle angenommen – und ausgefüllt. Das 37:26 (21:10) war ein weiteres Ausrufezeichen. 

Vom Anpfiff (09:00 Uhr) weg total fokussiert und aufmerksam – wieder eine gute Abwehr stellend, mit einem vor allem in der Anfangsphase erneut überragenden Andreas Wolff im Tor: Die Jungs waren gedankenschnell und haben genau das gezeigt, was nach dem starken Kroatien-Spiel der Japaner nötig war.

Bei einem Telefonat mit Kapitän Johannes Golla am Tag vorher hörte ich schon heraus, dass die Mannschaft ‚heiß‘ war und unbedingt nachlegen wollte. Er sagte mir explizit, was ich gestern schon geschrieben hatte: „Nur wenn auch ein Sieg gegen Japan herausspringt, war der Erfolg gegen Schweden etwas wert.“

Insofern war der überfallartige Start – gestützt auf ein klares Torwart-Plus zu unseren Gunsten – keine Überraschung und die Partie schnell entschieden. Erneut hat auch der junge Renars Uscins dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet mit all seinen Treffern vor der Pause. Fünf Tore aus fünf Versuchen nach zehn Minuten – das ist schon eine Ansage! Alle Achtung!

Experimente bei diesem Spielstand ‚erlaubt‘ – und notwendig!

Dass Alfred Gislason in Hälfte zwei viel wechselte und einiges ausprobierte, war zwar dem Spielfluss im letzten Drittel der Partie nicht immer zuträglich. Aber nachdem sich der Sieg in diesem Spiel so früh abgezeichnet hatte, musste er die übrige Zeit nutzen, um ein paar taktische und personelle Varianten zu testen, zum Beispiel das Sieben gegen Sechs im Angriff. Das Spiel war mittlerweile ja eher eine Trainingseinheit – und nirgends kann man Abläufe so gut einstudieren wie in echten Spielsituationen. Der Trainer bewies damit gewissermaßen auch eine neue Offenheit im Vergleich zu vorherigen Turnieren. Dass die Wechselwirkung Torwart-Deckung im Verlauf der zweiten Hälfte nicht mehr ganz so klappte, dürfte der nach der Pause eingewechselte David Späth locker wegstecken. Ich bin sicher: Er wird jede olympische Minute genießen und aufsaugen.

‚Wurffallen‘ der Kroaten auf unserer Rechtsaußen-Position?

Mit Blick auf den weiteren Turnierverlauf macht mir aktuell nur eine Beobachtung etwas Sorgen: Durch den bitteren Ausfall von Tim Hornke haben wir keinen gelernten Rechtsaußen und somit dort auch keinen richtigen Vollstrecker mehr. Das konnte man bei den Würfen der beiden etatmäßigen Rückraumspieler Christoph Steinert und Kai Häfner von dort erkennen. Das wiederum könnten künftige Gegner dazu nutzen, zur Verteidigung gegen Uscins verstärkt den Außenabwehrspieler zur Hilfe zu nehmen und den Raum auf Rechtsaußen bewusst zu öffnen, weil uns dort ein sicherer Werfer fehlt. Man wird sehen müssen, wie wir damit umgehen würden. Vielleicht schon im nächsten Spiel gegen Kroatien …

Das Match wird zweifellos ein Knaller. Ein heißer Tanz, denn die Kroaten stehen nach der Niederlage gegen Slowenien schon unter Druck. Darauf muss unsere Mannschaft vorbereitet sein. Es gab schon so viele große und dramatische Begegnungen zwischen diesen beiden Teams – diesmal schwingt sicher die letzte Partie im Rahmen der Olympiaqualifikation mit, welche die Kroaten gewannen, noch dazu mit dem ehemaligen DHB-Nationalcoach Dagur Sigurdsson auf der Bank. Dieses Aufeinandertreffen hat schon einen besonderen Stellenwert. Dennoch würde ich nach den bisher gesehenen Auftritten unserer Mannschaft die Favoritenrolle übertragen. Sie darf und wird selbstbewusst sein – nach diesem Auftakt ins Turnier.  

Ein Satz noch zu den DHB-Frauen: Die Auftaktniederlage gegen Korea war sicher die bitterere als die gegen Schweden. Leider hat das Team mit 0:4 Punkten anders als unsere Männer keine Welle erwischt und muss mittlerweile auf Außenseiterchancen hoffen. Meine Daumen bleiben gedrückt. Noch ist das Viertelfinale möglich!        

Michael Allendorf Handball

Zur Person: Michael Allendorf

Michael Allendorf, Jahrgang 1986, spielte in der Bundesliga für die SG Wallau-Massenheim, die HSG Wetzlar sowie für MT Melsungen. Der Linksaußen kam auf insgesamt 493 Einsätze und erzielte 1.595 Tore. Für die A-Nationalmannschaft spielte er 17mal und warf 26 Tore. Seine größten Erfolge feierte der gebürtige Heppenheimer mit der A-Jugend Wallau-Massenheims (Deutscher Meister 2005) sowie als Junioren-Nationalspieler (Europameister 2006, Vize-Weltmeister 2007). In der letzten Saison seiner aktiven Laufbahn (2021/2022) schnupperte Allendorf bereits Manager-Luft als Assistent der Geschäftsleitung. Danach wechselte er komplett auf die Manager-Seite. Inzwischen verantwortet er als Sport-Vorstand der MT den Bundesligabereich der Nordhessen.    

Weiterführende Informationen zum olympischen Handballturnier


handball kolumne allendorf
(©paris2024.org)

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten