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„Fit mit Köpfchen - mentale Fitness von Dr. Christian Graz“

Welcher Sport passt zu mir?

  • Dr. Christian Graz
Gerade hat uns die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wieder einmal ermahnt. Erwachsene brauchen mindestens 21 Minuten Bewegung am Tag, wobei die Betonung auf „mindestens“ liegt. 25 Prozent der volljährigen Bevölkerung erreichen die Minimalanforderung nicht, vier bis fünf Millionen Sterbefälle könnte es ohne den eklatanten Bewegungsmangel jährlich weniger geben.
Nun ist es im Lockdown gar nicht so einfach, sein Maß an Sport und Bewegung zu absolvieren. Fitnesscenter, Schwimmbäder und Sportvereine sind zu. Spaziergehen geht, beim Joggen und Radfahren ist die Kälte im Winter alles andere als einladend. Glücklich, wer ein Peloton-Rad zu Hause installiert hat, die Regel ist dies aber nicht. Dem Training in den eigenen vier Wänden setzen Mitbewohner und Nachbarn ohnehin enge Grenzen.

Aber was geht, ist die Frage näher zu beleuchten, welcher Sport eigentlich am besten zu mir passt. Vielleicht ist gerade der Lockdown eine Chance, aus Routinen auszubrechen und sich für die Zukunft genau für jene Aktivitäten zu entscheiden, die bei Ihnen am ehesten zu Gesundheit und Spaß beitragen. Die Fragestellung ist gar nicht so trivial. Sport ist aus körperlicher und mentaler Perspektive nicht gleich Sport. Bewegung sollte gelenkschonend sein sowie leistungs- und altersadaptiert. Die WHO weist neben der kardiologischen Komponente des Ausdauertrainings explizit auf die große Bedeutung des Krafttrainings hin. Auch die soziale Komponente beim Sport ist ein wichtiges Kriterium.

Ein Überblick über Sportarten und ihren Gesundheitseffekt

Joggen ist heute die beliebteste Sportart. Vieles spricht dafür. Joggen ist gut für Muskulatur und das Herzkreislaufsystem, verbrennt ordentlich Kalorien, was uns schlank hält, kann auf dem Laufband wie auch in der Natur ausgeübt werden, ist wenig aufwändig in der Vorbereitung und ideal als Sport auf Reisen.

Der vielleicht größte Haken: Die Gelenke mögen zu viel Laufen nicht, insbesondere auf hartem Untergrund. Moderne Laufschuhe helfen – entgegen den Marketingversprechen der Hersteller – nur sehr bedingt. Medizinisch ähnlich gut wie Joggen und zudem gelenkschonend ist Radfahren. Leider ist nicht immer ein Rad zur Hand und eine schöne Radstrecke auch nicht.

Joggen und Radfahren helfen sehr gut, nach dem Job den Kopf frei zu bekommen. Wer sich richtig anstrengt, bekommt in Form der Ausschüttung von Glückshormonen sogar noch einen Bonus.

Schwimmen gehört ebenfalls in diese Kategorie von Sportarten, in diesem Fall wird das Gelenkproblem gänzlich ausgeschaltet. Um sportlich zu schwimmen, braucht man aber mehr Technik als beim Joggen und Radfahren und eben auch ein Schwimmbad, was die Möglichkeiten wieder deutlich einschränkt. Im Winter besteht zudem die Gefahr, sich nach dem Schwimmen eine Erkältung einzufangen.

Tennis und Mannschaftssportarten

Tennis besitzt gegenüber Joggen, Radfahren und Schwimmen den Vorteil, dass es spielerischer ist und es deutlich weniger Disziplin bedarf, um seine Bewegungseinheiten zu erzielen. Auch der Wettkampfgedanke beim Tennis passt gut zu vielen Menschen. Zudem können geübte Tennisspieler in Mannschaften ihrem Sport nachgehen, Tausende tun das im Frühjahr auf unzähligen Tennisanlagen.

Der soziale Aspekt des Sports sollte grundsätzlich nicht unterschätzt werden. In einer Studie des Centers for Disease Control und Prevention werden die positiven Effekte von Sport auf depressiv erkrankte Patienten untersucht. Mannschaftssportarten schneiden dabei besonders heilend ab, vor Radfahren und Laufen. Kachelzählen im Schwimmbad ist nur bedingt sozial.

Mannschaftssportarten wie Fußball, Handball und Basketball sind in höherem Alter leider wenig ratsam. Zu hoch ist die Verletzungsgefahr – außer man hat den Sport ein Leben lang betrieben und ist spezifisch gut trainiert.

Beschwerden an Fußgelenk, Knie, Hüfte, Rücken, Schulter und Arm sind auch die Limitation für Tennisspieler. Sie werden kaum einen ehemaligen Tennisprofi mehr auf dem Court erleben. Nach 4 bis 6 Millionen Schlägen im Leben macht der Körper einfach nicht mehr mit – siehe Boris Becker. Auch Amateure kämpfen in der Regel ab 50 mit Abnutzungen.

Skifahren/Langlaufen/Tourengehen

Mit den ersten Schneeflocken kommen auch die Skier wieder aus dem Keller. Skifahren ist im Winter eine sehr empfehlenswerte Betätigung, solange andere Sportarten im Freien wegen des kalten Wetters ausfallen. Es macht Spaß, kann gesellig sein und – wenn man Glück hat – bekommt man auch ein wenig Sonne ab. Aber: Skifahren ohne vorbereitendes Training birgt hohe Risiken. Ohne ausreichend Kraft in den Beinen, Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit enden Skitage gerne im Krankenhaus. Also mindestens sechs Wochen vor dem Skiurlaub ab ins Fitnessstudio. Auch schwere Kopfverletzungen haben drastisch zugenommen, seitdem die verbesserten Carving-Skier auch Amateure zu Rennfahrern machen. Helm ist Pflicht!

Sie überschätzen vermutlich den Kalorienverbrauch beim Pistenskifahren. Der Appetit, auch befeuert durch die viele frische Luft, übersteigt zumeist den Energieverbrauch. Kein Wunder, dass viele Skifahrer nach dem Winterurlaub ein, zwei Kilo mehr auf die Waage bringen. Top wäre es demnach, im Skiurlaub oder an den Wochenenden, es einmal mit dem Skilanglaufen zu probieren. Da fallen einem Mediziner keine Einwände ein.

Für Geübte ist auch das Skitourengehen eine Alternative. Naturerlebnis außerhalb der Pisten, anspruchsvolle Herzkreislaufbelastung, Koordination, alles wunderbar, solange Sie nicht in eine Gletscherspalte fallen, das heißt das Risiko im Griff haben.

Nordic Walking

Bereits in den 1970er Jahren entwickelte der finnische Trainer Mauri Repo das Konzept des Nordic Walkings als Teil des Sommer Trainings für Skiläufer. Ende der 80er Jahre begann der weltweite Durchbruch, nachdem die Gehstöcke eines finnischen Herstellers erfolgreich beworben wurden. Gegen „Fit mit zwei Stöcken“ gibt es nichts einzuwenden. Schnelles Gehen ist gerade im Alter vorteilhaft.

Golf

Golf ist nicht nur für ergraute Damen und Herren eine ideale Bewegungsaktivität. Man muss lange nachdenken, um auf eine gesündere Sportart zu kommen. Golfer sind deutlich weniger unfall- und verletzungsgefährdet wie Tennisspieler, Reiter, Langstreckenläufer oder Skifahrer. Die Beanspruchung des Herzkreislaufsystems ist vorbildlich. Golfer bewegen sich bei leichter Belastung und dennoch niedrigem Puls über einen mehrstündigen Zeitraum im aeroben Bereich. Golf kann bei frischer Luft im Grünen ein wahrer Flash für den Körper sein. Keinesfalls ist der sportliche Aspekt zu unterschätzen. Die meisten Spitzengolfer sind heute Modellathleten. Bei einer Runde Golf gehen Aktive mindestens acht Kilometer, oft ist das Gelände hügelig, der Schläger wird 50mal oder öfters mit voller Kraft geschwungen. Mehrere 100 Schläge auf der Driving Range kommen hinzu. Am Golfschwung als besonders komplexer Bewegung sind mehr als 400 Muskeln beteiligt. Wer vier Stunden für eine Runde Golf braucht, verbrennt bis zu 1.400 Kcal – das entspricht einem vergleichbaren Effekt von drei Stunden Powerwalking!

Zum anspruchsvollen Golf gehört eine gute Kondition, sonst wird der Spieler mit zunehmender Dauer der Runde müde und es fehlt am Ende an Präzision. Training auf dem Ergometer/Fahrrad, Gymnastik und Kraftübungen, insbesondere für die Körpermitte, gehören also auch zum Golfsport. Hinzu kommen Anforderungen an die Balance und eine gute Augen-Hand Koordination. Beides sind sinnvolle Herausforderung für das Gehirn.

Gymnastik/Turnen/Yoga

Viele Menschen trainieren Kondition und Muskulatur, vergessen dabei aber die Gelenkigkeit und sind steif wie ein Brett. Gymnastik ist deshalb ein Muss und das dritte Standbein körperlicher Fitness. Am besten unter Anleitung. Für Fortgeschrittene bietet sich Turnen an, was aber für Spätberufene oft zu schwierig ist. Yoga ist eine moderne Alternative und inzwischen sehr beliebt. Einige lehnen es aber noch wegen des „Geruches von Räucherstäbchen“ ab. Grundsätzlich kann Yoga gerade jenen helfen, die noch nicht so sportlich sind. Es gibt viele Einsteigervarianten, wobei unter Yoga eine Vielzahl von körperlichen Übungen subsumiert wird, die ganze Bibliotheken füllen.

Grundsätzlich gilt: Alles, was der Beweglichkeit hilft, ist gut!

Fitnesstrainer und -studio

Der eigene Personal Trainer ist in den vergangenen Jahren in Mode gekommen und fast schon ein Statussymbol. Dieser Trend ist zu begrüßen, denn die diversen Möglichkeiten an Trainingsformen, die beispielsweise gut ausgestattete Fitnessstudios bieten, sind für den Nicht-Experten kaum zu bewerten. Individuelle Trainingspläne, die zusätzliche Motivation, wenn ein Profi einen bei den Trainingseinheiten unterstützt, die richtige Intensität, all das lässt sich am besten mit Fitness Trainern bewerkstelligen.

Mein Tipp: Probieren Sie nach dem Lockdown doch einfach mal eine neue Sportart aus. Ihr Kopf wird es lieben.

Dr Christian GrazZur Person: 
Dr. Christian Graz ist Chefarzt der Psychosomatik der Max Grundig Klinik auf der Bühlerhöhe. Graz ist Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Verhaltenstherapeut, Suchtmediziner und Forensiker, der langjährig Führungskräfte wie auch Berufssportler behandelt. Auf netzathleten.de gibt er in seiner Reihe "Fit mit Köpfchen" mentale Tipps für mehr Fitness und Leistungsfähigkeit.

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