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Wer hat’s erfunden? Intervalltraining
- Marco Heibel
Ohne Trainingsreiz kein Leistungszuwachs – dieses Prinzip kennt jeder Sportler. Doch während man seine Ausdauer durch eine mäßig beschwerliche, lang andauernde, gleichmäßige Belastung trainieren kann, bedarf es zur Verbesserung der Schnelligkeit und Laktattoleranz härterer Methoden. Qualität kommt hier von Qual. Das Intervalltraining mit seinem festgelegten Wechselspiel aus intensiven Passagen und kurzen Erholungsphasen gilt dabei als die effektivste und zielführendste Trainingsform. Was viele nicht wissen: Das Intervalltraining ist auch eine ziemlich alte Trainingsform.
Intervalltraining: Eine deutsche Erfindung
Dem einen oder anderen dürfte der Name „Rudolf Harbig-Stadion“ etwas sagen. In der Arena fanden jahrelang Leichtathletik-Veranstaltungen statt. Außerdem war das Stadion bis zum Umbau in eine reine Fußballarena im Jahr 2007 die Heimstätte des Fußballvereins Dynamo Dresden. Aber wer war eigentlich dieser Rudolf Harbig?
Er war der erste lebende Beweis dafür, dass Intervalltraining zum Erfolg führen kann. Wie aus dem Nichts schoss der 1913 in Dresden geborene Rudolf Harbig in den späten 1930er Jahren an die Weltspitze, stellte 1939 Weltrekorde über 400 Meter (46,0 Sekunden) und 800 Meter (1:46,6 Minuten) auf. Damit war er vor über 70 Jahren, lange bevor es ultraschnelle Tartanbahnen, trainingswissenschaftliche Rundumbetreuung und Vollprofitum gab, nur 2,8 bzw. 5,5 Sekunden langsamer als die schnellsten Männer der Gegenwart.
Harbigs Erfolgsrezept hieß Intervalltraining. Das hatte sein Trainer Woldemar Gerschler in Zusammenarbeit mit dem Kardiologen Hans Reindell Anfang der 1930er Jahre entwickelt. Bemerkenswert: Anders als heute, unterbrach man damals die harten Trainingsbelastungen
nicht durch Trabpassagen, sondern ließ den Athleten in den Belastungspausen lange gehen oder sogar liegen.
Die Zahl der Skeptiker des Intervalltrainings war anfangs groß: Wie solle ein Wechsel aus schnellem Laufen und totaler Pause zum Erfolg führen, wenn im Wettkampf doch durchgängiges Laufen gefordert sei? Erst Harbigs Erfolge bis in die frühen 1940er hinein brachten die Kritiker allmählich zum Schweigen. Der Zweite Weltkrieg verhinderte eine Ära des deutschen Laufstars – und beendete sein Leben. Rudolf Harbig starb 1944 an der Ostfront.
Intervalltraining macht Zatopek zur Lokomotive
Seinen internationalen Durchbruch erlebte das Intervalltraining erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Erfolge des Tschechen Emil Zatopek. Die „Lokomotive“ gewann dank dieser Methode 1948 Olympiagold über 10.000 Meter, vier Jahre später schaffte er sogar das heute unmögliche Triple aus Gold über 5.000 Meter, 10.000 Meter und im Marathon.
Wie lässt sich aber erklären, dass ein Langstreckler wie Zatopek im gleichen Maße von einer Trainingsform profitieren konnte wie der Kurz- respektive Mittelstreckler Harbig? Der Schlüssel lag in der Gestaltung der Intervalle. Während die von Harbig extrem knackig waren (Achtung, Euphemismus), gestaltete Zatopek seine Tempopassagen verhältnismäßig kommod – man könnte auch sagen: wettkampfspezifisch – und schaffte so mehr und längere Wiederholungen.
Im Lauf der Zeit wurde das Intervalltraining von verschiedenen Lauftrainern immer weiter entwickelt und verfeinert. Heute kommt kein guter Trainingsplan, von der Mittel- bis zur Langstrecke, ohne regelmäßige Intervalleinheiten aus.