Interview mit Edwin Moses - Ich war nicht zum Sportler geboren picture-alliance

Interview mit Edwin Moses - Ich war nicht zum Sportler geboren

  • Nils Borgstedt
Edwin Moses, Doppelolympiasieger über 400m Hürden, war das Maß der Dinge in dieser Disziplin. Zwischen 1975 und 1987 blieb er in 122 Rennen in Folge ungeschlagen. 9 Jahre, 9 Monate und 9 Tage lang hatten seine Konkurrenten das Nachsehen. Heute ist Edwin Moses Vorsitzender der Laureus Sports for Good Foundation. netzathleten sprach mit ihm über die anstehende Verleihung der Laureus World Sports Awards, soziales Engagement und den Unterschied für junge Athleten zwischen damals und heute.

netzathleten: Edwin, nun steht die Verleihung der Laureus World Sports Awards an. Wer sind Deine Favoriten?
Edwin Moses: Also, ich werde hier nicht verraten, für wen ich gestimmt habe. Ich denke, als Vorsitzender der Laureus-Stiftung gehört sich das nicht. Alle Nominierten sind fantastische Menschen und haben fantastische Leistungen gebracht. Wir ehren sie aufgrund ihrer Erfolge, ihrer außergewöhnlichen Darbietungen und dafür, wie sie sich selbst als Menschen präsentieren.

netzathleten: Laureus zeichnet nicht nur Sportler für ihre Leistungen aus, Laureus unterstützt sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche in derzeit 91 Sportprojekten weltweit. Immer wieder stehen Sportler Pate für soziales Engagement. Warum ist das in Deinen Augen so wichtig?
Edwin Moses: Soziales Engagement ist vor allem für Sportler wichtig. Ich habe mit vielen unserer Academy-Mitglieder gesprochen und jeder hat seine ganz eigene Geschichte, wie er zum Sport gekommen ist und ein erfolgreicher Sportler wurde.

Die meisten Leute denken, dass wir die geborenen Sportler waren. Sie denken, dass Leichtathletik alles für mich war und dass ich mit vier Jahren mit dem Sport angefangen habe. Aber das ist so nicht ganz richtig. Jeder hat seine eigene Geschichte, wie er mit dem Sport in Berührung kam. Ein Beispiel: Starturnerin Nadja Comaneci hat verschiedene Sportarten betrieben. Schwimmen, Tauchen was weiß ich noch alles. Und dann kam jemand zu ihr und fragte: Warum versuchst du nicht einmal zu turnen? Sie tat es und wurde die Beste, mit 14 Jahren holte sie zum ersten Mal Gold bei Olympia.

Es ist spannend mit den Academy-Mitgliedern über ihre Anfänge zu sprechen. Und viele hatten es wahrlich nicht leicht. Entweder waren sie Trennungskinder oder die Elternteile sind verstorben. Jeder hat eben seine ganz eigene Geschichte, wie er zum Sport gekommen ist. Es gibt immer noch einen Mensch hinter dem Sportler. Wir, die 47 Mitglieder der Laureus Academy, sind dankbar dafür, dass wir in unseren Sportarten so gut waren. Aber es gehört mehr dazu, nach vorne zu kommen. Man muss auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, man braucht das Glück einen Mentor zu haben, eine Person, die einem hilft das zu werden, was wir heute sind.

Und so ein „Mentor“ zu sein und Sportlern zu helfen, ist ein Langzeitziel der Academy. Darum engagieren wir uns im Sport, denn auch wir wurden nicht zum Sportler geboren. Es brauchte immer eine weitere Komponente, sei es Zufall, Glück, jemand der uns geleitet hat, als wir jung waren. Wir müssen dafür sehr dankbar sein und möchten davon etwas zurückgeben.

netzathleten: Welche Rolle spielt Sport Deiner Meinung nach in unserer heutigen Gesellschaft?
Edwin Moses: Als erstes dient er der Unterhaltung. Sport ist Unterhaltung. Er steht für guten, fairen Wettkampf – der sich inzwischen auf eine wirtschaftliche Ebene ausgeweitet hat – es ist aber eben auch Unterhaltung für die Zuschauer. Auf der anderen Seite hat Sport natürlich auch noch eine ethische Ebene. Er soll Werte wie Fair-Play, Disziplin und Selbstvertrauen vermitteln, man lernt mit Siegen und Niederlagen umzugehen. Gerade Kinder können im Sport zahlreiche Lektionen lernen. Darum vor allem geht es Laureus, nicht nur um große Preisverleihungen. Das ist der Hauptgrund, warum wir uns mit der Stiftung im Sport engagieren. Wir glauben an die guten Dinge im Sport.

netzathleten: Und wie kann man diese Tugenden in das tägliche Leben integrieren?
Edwin Moses: Man muss es einfach tun und viele Leute tun es ja schon. Jeder Trainer tut es. Jeder, der mit Kindern arbeitet, bringt ihnen diese Tugenden täglich näher. Aber diese Leute werden nie ausgezeichnet. Dabei sind sie es, die an der Basis tätig sind und diese Werte vermitteln. Es gibt Millionen Menschen auf dieser Welt, die nichts für ihre Anstrengungen bekommen, außer der Befriedigung, dass sie anderen weiterhelfen.

netzathleten: Du selbst wurdest zunächst nur wenig gemanaged. Heute werden Sportstars häufig schon in sehr jungen Jahren gemanaged und auf Erfolg getrimmt…
Edwin Moses: Es gab schon ein paar Leute, die mich gefördert haben. Mein Highschool-Coach beispielsweise trug einen großen Anteil daran, dass mir Leichtathletik so viel Spaß bereitete. Ich habe gelernt, das Training, die Workouts und die Wettbewerbe wirklich zu genießen – und zwar bevor ich ein Star war. Zu diesem Zeitpunkt war ich Nichts. Ich war ein einfaches Highschool-Kind, war immer Durchschnitt, nie besonders herausragend. Aber ich habe den Sport genossen. Menschen wie mein Trainer sind es, die den Unterschied im Leben anderer ausmachen, nicht unbedingt professionelle Manager oder Trainer. Als ich dann auf das College gewechselt bin, hatten wir dort keine Laufbahn. Anfangs hatten wir noch einen Trainer, aber er hat bald aufgehört. Insgesamt hatte ich bis dahin also für etwa drei Jahre einen Trainer gehabt. Nach der Highschool musste ich aber selbst schauen, dass ich dabei blieb. Ich liebte ja diesen Sport. Ich musste mir meine Workouts und mein Training selbst zusammenstellen. Und ich musste selbst herausfinden, wie ich besser werden konnte. Ich habe früh gelernt, dass Interesse und Leidenschaft für den Sport dabei sehr wichtig sind. Auch, wenn man nicht vorne mit dabei ist. Ich gehörte nicht einmal zu den besten Läufern innerhalb meiner Altersklasse. Aber ich habe mich hochgearbeitet, weil ich den Sport geliebt habe.
Heutzutage sieht es natürlich ganz anders aus. Es ist Geld für so ziemlich jeden da. Das war früher anders. Es ist heute eine andere Welt.

netzathleten: Kann zu viel Betreuung, das Geld das investiert wird und der damit zusammenhängende Anspruch und Druck einem den Spaß am Sport nehmen?
Edwin Moses: Vor allem in der Leichtathletik muss man vorsichtig sein. Ich habe viele Kinder gesehen, die das Potential hatten, große Athleten zu werden. Aber wenn man sie in jungen Jahren zu sehr unter Druck setzt, sind sie bereits mit 15, 16 oder 20 Jahren ausgebrannt. Sie wollen keinen Sport mehr machen. Ich habe so etwas immer wieder mitbekommen. Für Kinder ist es am besten, wenn sie an ihrem Sport Spaß haben, es von sich aus wollen und nicht von den Eltern oder Trainern dazu gedrängt werden.

netzathleten: Macht man dadurch heute auch Athleten zu schnell zum Star?
Edwin Moses: Manchmal. Aber wenn man zu sehr unter Druck gesetzt wird, gibt man auf. Man gibt einfach auf. Vor allem in der Leichtathletik. Leichtathletik ist kein einfacher Sport. Es ist nicht wie beim Tennis, wo man rausgeht und ein paar Bälle schlägt. Man muss beim Tennis (auch) nicht bis zur Erschöpfung laufen und sich dann wieder aufraffen, um erneut Laufen zu gehen. Und das mehrmals am Tag. Da unterscheidet sich Laufen deutlich von vielen anderen Sportarten.

Wobei man auch sehen muss, dass selbst Tennisspieler häufig den körperlichen Anstrengungen Tribut zollen müssen und ihre Karriere schon in den Zwanzigern beenden. Man muss sich nur vor Augen halten, wie viele Stars 20-25 Jahre alt sind und sagen: OK, ich höre auf. Und das, obwohl sie so viel Geld damit verdienen. Sie sind einfach ausgebrannt. Es gibt Sportarten, in denen gewinnt man vor allem in jungen Jahren und es gibt solche, da gewinnt man meistens, wenn man die 30 schon geknackt hat. Das hängt vom jeweiligen Sport ab.

netzathleten: Edwin, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Interview: Nils Borgstedt und Derk Hoberg

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