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Diagnose Schienbeinkopfbruch

  • Nils Borgstedt
Die Diagnose Schienbeinkopfbruch ist wohl die schlimmste Nachricht, die ein aktiver Sportler von seinem Arzt erhalten kann. Wir haben mit einem Experten über diese Verletzung gesprochen. Er klärt uns über Diagnosemöglichkeiten, Vorgehensweise bei Operationen und die richtige Nachbehandlung auf.

Dr. med. Markus Kessler ist Facharzt für Orthopädie und spezielle Unfallchirurgie, Durchgangsarzt, ambulante Operationen, Ausbilder für arthroskopische Operationen, Knie- und Hüftchirurgie, Endoprothetik und stationäre Operationen in der chirurgischen Klinik München-Bogenhausen. Wir haben mit ihm über eine der schwersten Knieverletzungen überhaupt gesprochen: den Schienbeinkopfbruch.

netzathleten.de: Herr Dr. Kessler, könnten Sie bitte beschreiben, was der Schienbeinkopf überhaupt ist?
Dr. Kessler: Der Schienbeinkopf ist der Beginn vom Unterschenkel, genauer gesagt die Abstützfläche des Kniegelenks. Dort wird die Hauptlast getragen.

netzathleten.de: Wie schwerwiegend ist die Verletzung Schienbeinkopfbruch?
Dr. Kessler: Schienbeinkopfbrüche sind die allerschlimmsten Verletzungen am Kniegelenk. Natürlich gibt es leichtere Formen des Bruches. Wenn der Patient Glück hat, heilt der Bruch folgenlos aus. Allerdings gibt es Schienbeinkopfbrüche – und das ist der Großteil - die die Gelenkfläche betreffen. Diese haben leider immer noch eine relativ schlechte Prognose bezüglich der Arthrose-Entwicklung.

netzathleten.de: Sie haben es schon angedeutet. Gibt es verschiedene Formen von Schienbeinkopfbrüchen?
Dr. Kessler: Ich glaube es gibt ungefähr 16 verschiedene Einteilungen. Es wäre zu komplex, die Einzelheiten zu erklären. Wichtig ist, ob der Bruch in das Gelenk hineinragt und sich die Gelenkfläche verschiebt.

netzathleten.de: Wie wird die Diagnose gestellt?
Dr. Kessler: Die erste Diagnose folgt immer über ein Röntgenbild. Wenn sich der Verdacht bestätigt und ein schwerer Schienbeinkopfbruch vorliegt, dann wird eine Computertomographie gemacht. Damit sind die einzelnen Bruchstücke zu sehen. Sie ist vor allem für die Operationsplanung und dergleichen entscheidend. Wenn ich noch sehen will, welche Weichteile (Kreuzband/Meniskus, Anm. d. Red.) in Mitleidenschaft gezogen wurden, dann ist eine Kernspinaufnahme hilfreich. Es kommt also ein bisschen darauf an, wo die Reise hingeht.

netzathleten.de: Könnten Sie das ein wenig ausführen?
Dr. Kessler: Häufige Begleitverletzungen sind wie gesagt Kreuzband- und Meniskusverletzungen. Die isolierte Schienbeinkopfverletzung ist eine Rarität. Meistens sind die Bänder im Knie betroffen, die ebenfalls behandelt werden müssen - das macht es komplizierter. Ein Schienbeinkopfbruch wird häufig unterschätzt, dabei ist er für das Kniegelenk die Katastrophe schlechthin. Durch die Verletzung kommt es zu verfrühten Arthrosen. Ein Beispiel: Ein 20 Jahre alter Sportler erleidet einen schweren Schienbeinkopfbruch. Zehn bis zwanzig Jahre später braucht er mit großer Wahrscheinlichkeit eine Knie-Prothese.
Bei einem Schienbeinkopfbruch sind die Schäden an Knorpel und Knochenstruktur so hoch, die kann ein Chirurg nur noch bedingt behandeln - und das wissen die jungen Sportler häufig nicht. Es ist wie bei einem Auto mit Totalschaden. Man kann versuchen es zu reparieren, aber die ursprüngliche Fahrzeugstruktur ist hinüber.

netzathleten.de: Was ist die erste ärztliche Maßnahme nach der Diagnose?
Dr. Kessler: Das kommt darauf an, wo ich mich befinde. Wenn ich der erste behandelnde Arzt vor Ort bin, dann muss ich den Patienten unbedingt ruhigstellen. Die Durchblutung im Bein muss gesichert sein, weil an der Rückseite die Arterie verläuft. Wenn sich Knochenteile verschieben kann es sein, dass diese auf die Arterie drücken. So können Folgeschäden für Nerv und Arterie entstehen – diese gilt es zu vermeiden.

Ansonsten ist es in der Regel so, dass das Knie erst einmal ruhig gestellt und die auftretende Schwellung bekämpft wird. Erst wenn die Schwellung zurückgegangen ist, kann operiert werden.

netzathleten.de: Wie gehen Sie bei einer operativen Behandlung vor?
Dr. Kessler: Das kommt darauf an, wie schwer die Verletzung ist. Wenn es möglich ist, kann man mithilfe der Arthroskopie das Kniegelenk ansehen. Mit dieser Kameratechnik wird kontrolliert, ob die inneren Strukturen des Kniegelenkes in Takt sind. Ziel einer Operation ist es, die verschobenen Gelenkflächen wieder aufeinander zu stellen. Mit einer Schraube oder einer Platte wird der Schienbeinkopf dann stabilisiert. Bei schweren Brüchen ist eine Arthroskopie nicht möglich. Dann muss das Knie aufgeschnitten werden und eine Sichtkontrolle durchgeführt werden.

netzathleten.de: Gibt es auch Möglichkeiten einer nicht-operative Behandlung?
Dr. Kessler: Nicht, wenn es sich um einen schweren Bruch handelt. Die Gipsmethode hat sich nicht bewährt. Es gibt biomechanische Untersuchungen, die diese klassischen Methoden widerlegt haben. Wichtig ist, dass das Bein entlastet wird - und das geht am besten mit Krücken.

netzathleten.de: Wie lange darf das Bein nicht belastet werden?
Dr. Kessler: Sechs bis acht Wochen Krücken sind auf jeden Fall notwendig. Außerdem muss umgehend mit einer physiotherapeutischen Behandlung begonnen werden, um die Schwellung in den Griff zu bekommen und die Beweglichkeit zu erhalten.

netzathleten.de: Kann ein Sportler nach einer solchen Verletzung seine Sportart ohne Beschwerden ausüben?
Dr. Kessler: Das ist schwierig zu sagen. Es kommt auf die Art des Bruches an, die Erstversorgung und individuelle Heilverläufe. Das tückische an diesen Brüchen ist, dass sich die Beschwerden oft erst nach zehn oder fünfzehn Jahren bemerkbar machen, wenn eine massive Arthrose entstanden ist. Junge Patienten haben spätestens ab dem 30. Lebensjahr massive Knieprobleme. Oft ist die Einsetzung einer Knie-Prothese die letztmögliche Lösung.

netzathleten.de: Gibt es besonders gefährdete Sportarten?
Dr. Kessler: Ja, die Alpinskifahrer sind besonders gefährdet. Die neuen Carving-Ski lassen eine wesentlich höhere Fahrgeschwindigkeit zu. Dadurch ist die Kraft, die auf das Kniegelenk bei einem Unfall einwirkt, deutlich größer als früher.

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