Soll ich oder soll ich nicht - Sex vor Sportwettkämpfen
- Redaktion
In der Vergangenheit war es bei großen Sportereignissen wie beispielsweise bei der Fußball-WM durchaus üblich, Männer von ihren Frauen zu trennen. Schließlich hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Sex vor Sport der Leistungsfähigkeit schadet. Bei der WM in Deutschland erlaubte Jürgen Klinsmann seinen Spielern, den ehelichen Pflichten nachzukommen. Jetzt könnte man sich fragen, haben die Deutschen trotz oder gerade wegen der Sex-Freigabe so gut abgeschnitten.
Niemand verausgabt sich am Tag vor dem Marathon
„Prinzipiell ist gegen Sex am Vorabend eines Wettkamps nichts einzuwenden. Es kommt allerdings darauf an, wann der Wettkampf stattfindet und wie man den Sex praktiziert“, erklärt Alexander Haas, Diplom-Sportwissenschaftler aus Köln. Denn Sex ist körperliche Arbeit, bei dem man Kraft und Energie verbraucht. Niemand würde am Vorabend vor einem Marathon auf die Idee kommen, sich bei einem intensiven Krafttraining zu verausgaben.
Beim Sex liegt der Energieumsatz zwischen 150 bis 200 Kilokalorien pro 30 Minuten. Darum gehört intensiver und ausdauernder Sex nicht in die unmittelbare Wettkampfvorbereitung. Der Körper braucht rund zehn Stunden, bis er sich komplett erholt und die verbrauchte Energie wieder aufgeladen hat. Wenn der Wettkampf also erst abends stattfindet, sollte Sex zumindest vom Energieverbrauch kein Problem sein.
Sex entspannt
Schon der frühere Weltfußballer Ronaldo schwor auf passiven Sex vor einem wichtigen Spiel. „Sex entspannt und setzt Glückshormone frei“, sagt Haas. „Man schläft nach einem Orgasmus schneller und besser. Insofern kann man gegen die Nervosität vor einem wichtigen Spiel durchaus die traute Zweisamkeit genießen.“
Etwas komplexer wird Sex vor Sport, wenn man den Hormonhaushalt des Körpers betrachtet. Denn in dieser Hinsicht unterscheiden sich Männer deutlich von Frauen. „Direkt nach dem Sex sinkt der Testosteronspiegel bei Männer ab“, sagt der Sportwissenschaftler. Gerade bei zweikampfbetonten Sportarten wie Fuß- oder Handball, bei denen Aggressivität und Durchsetzungsvermögen gefragt ist, kann der Verlust des männlichen Geschlechthormons die Leistung hemmen.
Sex macht aggressiv
Frauen hingegen produzieren beim Sex vermehrt Testosteron. Für sie kann Sex vor zweikampfbetonten Wettkämpfen sogar leistungsfördernd sein, da der Testosteronspiegel und damit auch die Aggressivität erhöht sind.
„Bei Ausdauersportarten kann sich Sex ebenfalls positiv auswirken“, sagt Haas. „Denn beim Orgasmus schüttet der Körper bestimmte Hormone wie Oxytocin aus. Diese Hormone verbessern die Leistungsfähigkeit bei Ausdauersportarten.“
Jeder Mensch ist anders
Der Hormon-Haushalt gleicht sich aber nach einigen Stunden wieder aus. Insofern spielt Sex nur eine Rolle, wenn er wenigen Stunden vor dem Wettkampf stattfindet.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es keine generelle Empfehlung gibt, ob man vor dem Wettkampf mit seinem Partner schlafen kann oder nicht. Die einen Trainer beispielsweise verbieten Sex, um ihre Spieler richtig heiß zu machen. Andere schwören auf den entspannenden Effekt, um die Nervosität abzubauen.
Es ist vom Individuum selber und von der Sportart abhängig, ob man vor dem Wettkampf Sex haben sollte. Aber egal ob Askese wie bei der WM 74 oder ob Sex geduldet war wie bei der WM 2006, auf den sportlichen Erfolg hat Sex weniger Auswirkungen als viele glauben wollen.
Christian Riedel