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Trainingssteuerung durch Faustformeln? – 220 minus Lebensalter
- Marco Heibel
Formeln können durchaus ihr Gutes haben: Wer etwa in Mathematikklausuren die richtigen Formeln im Kopf hat, ist deutlich im Vorteil. Wie in der Mathematik werden auch im Sport häufig Formeln angewendet, um möglichst allgemeingültige Aussagen – beispielsweise zum optimalen Trainingspuls – zu treffen. Doch genau hier liegt das Problem: Die optimale Herzfrequenz ist eine sehr individuelle Angelegenheit mit vielen Variablen. Man kann die Sportler dieser Welt nicht einfach über einen Kamm scheren.
Aus diesem Grund entpuppen sich viele Formeln bei genauer Betrachtung als unbrauchbar, wie etwa dieser „Klassiker“: 220 minus Lebensalter = Maximale Herzfrequenz. Dies bedeutet nichts anderes, als dass etwa der Maximalpuls eines 20-jährigen bei 200 Schlägen/min. liegen würde, und der eines 50-jährigen bei 170 Schlägen/min. Anhand dieses Maximalpulses soll man dann den optimalen Puls für den jeweiligen Trainingsbereich herunterrechnen können: Bei Läufern wären dies etwa 65 bis 70 Prozent für einen Regenerationslauf, 70 bis 80 Prozent für einen Grundlagenlauf etc.
Frauenherzen schlagen häufiger
Womit wir schon bei den Schwierigkeiten wären: Zunächst einmal ignoriert diese Formel, dass ein Frauenherz rund zehnmal pro Minute häufiger schlägt als ein Männerherz – der in der heutigen Zeit so wichtige Gender-Aspekt geht dieser Formel also völlig ab. Doch im Ernst: Bei einem Grundwert von 220 gehen Frauen von einer falschen Basis aus. Dass die Werte am Ende nicht stimmen, verwundert da kaum.
Maximalpuls nimmt nicht linear ab
Zum Zweiten ist es keineswegs so, dass der Maximalpuls – so wie ein Baum jedes Jahr einen Ring mehr bekommt – mit jedem Jahr um einen Schlag abnimmt. Vielmehr gibt es einen „Break“ beim Alter von etwa 40 Jahren. Zu diesem Ergebnis kam eine im Jahr 2007 veröffentlichte US-Studie, in der die Werte von 132 Männern und Frauen jeden Fitnessgrades und jeder Altersstufe untersucht wurden.
Hierbei verglichen die Forscher den realen und den mittels der Formel errechneten Maximalpuls; mit dem Ergebnis, dass die HF max von Menschen unter 40 Jahren überschätzt und die von Menschen über 40 Jahren unterschätzt wird.
So wiesen die 50-jährigen Männer im Schnitt einen Maximalpuls von 173,4 Schlägen auf; laut der Faustformel wären es 170 gewesen. Bei den 20-jährigen waren es 193,5 Schläge anstatt 200. Anders ausgedrückt: Richtet sich beispielsweise ein 50-jähriger beim Errechnen seines Trainingspulses nach der 220 minus Lebensalter-Regel, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er sich unterfordert. Dagegen hält sich ein 20-jähriger vermutlich in zu hohen Pulsbereichen auf.