Michael Teuber: Kampfgeist und eiserner Wille
- Nils Borgstedt
Kein Wunder – liest sich seine Karriere doch wie ein Märchen. Auch bei den bevorstehenden Paralym-pics in London zählt Teuber wieder zu den aussichtsreichsten Medaillen-Kandidaten im deutschen Team. „Natürlich will ich erneut Gold gewinnen“, sagt er selbst. Dennoch: Der Weg zum internationa-len Spitzensportler war für Teuber lang und beschwerlich. Am 1. August 2012 jährte sich sein schicksalsträchtiger Unfall zum 25. Mal.
Der heute 44-Jährige war 19 Jahre jung, als er in ein schweres Autounglück verwickelt wurde. Teuber überlebte, die Folgen waren für den damaligen Abiturienten jedoch ernüchternd: Bruch des zweiten und dritten Lendenwirbels mit inkompletter Querschnittlähmung – Diagnose Rollstuhl. Eine muskulä-re Restfunktion im rechten Oberschenkel ließ ihn allerdings hoffen. „Das war der Strohhalm, an den ich mich klammern konnte. Für mich war schon immer klar, dass ich mit harter Arbeit einiges errei-chen kann“, erklärt Teuber.
Mit eisernem Willen und viel Disziplin nahm er die Rehabilitation auf. Tagtäglich trainierte er trotz des Rollstuhls im Fitnessstudio und versuchte so das Laufen wieder zu erlernen. Auch im Alltag wehr-te sich Teuber gegen sein Leben im Rollstuhl mit allen Kräften: „Zwei Jahre nach meinem Unfall war ich beispielsweise auf einer Klassenfahrt in Florenz. Ich habe extra meinen Rollstuhl daheim gelassen und bin jeden Tag mit Krücken und einem versteiften Bein durch die Stadt gehumpelt – so lange, bis mir die Finger eingeschlafen sind“, erzählt er. Und tatsächlich: Bald konnte er auf das Hilfsgerät wei-testgehend verzichten. Wenn Michael Teuber seine Erlebnisse schildert, wird schnell klar: Dieser Kampfgeist ist es, der auch für den späteren Erfolg in seiner Sportkarriere verantwortlich sein sollte.
Vorerst konzentrierte sich der Dietenhausener allerdings darauf, sein Leben in geordnete Bahnen zu lenken: Nach dem erfolgreichen Abschluss eines BWL-Studiums gründete er zusammen mit seinem Bruder Christian die Firma BikeInside, ein Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Fahrradträ-gern spezialisiert hat und für das er heute noch als Testimonial auftritt. In dieser Zeit forcierte er auch sein Engagement im Sport. „Das Mountainbike war wegen der leichten Übersetzungen anfangs am besten geeignet. Radfahren erwies sich für mein Handicap überhaupt als relativ günstig und war und ist für mich letztlich einfacher als gehen“, so der Paralympics-Sieger, der im Downhill-Sport erste Wettkampfluft schnupperte. Dort schaffte er es 1996 sogar zu den Weltmeisterschaften – wohl-gemerkt als einziger Handicapfahrer im gesamten Starterfeld.
1998 folgten dann der Wechsel auf die Straße und der Beginn seiner heutigen Karriere. Doch trotz anfänglicher Erfolge – im amerikanischen Colorado Springs wurde Teuber auf Anhieb Weltmeister – war er noch weit vom paralympischen Gold entfernt. „Als ich ernsthaft mit dem Sport begann, setzte ich mir natürlich eine Goldmedaille zum Ziel. Aber der Weg dorthin war lange“, berichtet er. Erst bei den Paralympics in Athen 2004 gelang Teuber der Durchbruch: Sowohl auf der Bahn als auch auf der Straße überquerte der Dietenhausener als Erster den Zielstrich und holte Doppel-Gold. Die anschlie-ßende Siegerzeremonie ist für ihn bis heute einer der bewegendsten Momente seiner Sportkarriere: „Mit dem Lorbeerkranz auf dem Kopf und Gold um den Hals auf dem Podium zu stehen – das werde ich nie vergessen“, gibt er zu.
„Aber natürlich ist der umkämpfte Sieg in Peking 2008 genauso viel wert und ein genauso schöner Moment“, ergänzt Teuber. Bei den Spielen in China hatte er sich von einer Niederlage auf der Bahn nicht entmutigen lassen und holte im Straßen-Zeitfahren einige Tage später unter schwierigsten Be-dingungen den Sieg.
Dabei sind es nicht nur diese Erfolge, sondern vor allem die Herausforderungen im Sport allgemein, die ihn zu Höchstleistungen anspornen. „Ich war schon immer Sport-verrückt. Mir ist es einfach wich-tig, mich aktiv zu betätigen und den Sport zu leben. Das muss gar nicht nur auf dem Rad sein“, so Teuber. Aus diesem Grund erfüllte er sich 2010 einen weiteren Traum: Im Rahmen eines Spenden-projekts der weltweit agierenden Laureus Sport for Good Stiftung, für die er als Botschafter fungiert, bestieg er mit dem 5.895 m hohen Kilimandscharo den höchsten Berg Afrikas. „23 Jahre zuvor war ich im Rollstuhl gesessen und meine Prognose war, dass das mein Leben lang auch so bleiben wird. Nach so einer Geschichte einen solchen Gipfel erklimmen zu können, war für mich ein Meilenstein“, erinnert er sich.
Soziale Engagements wie die Besteigung des Kilimandscharos sind für Teuber dabei keine Einzel-projekte. Erst zwei Jahre zuvor stand er auf dem Gipfel des 3.718 m hohen El Teide auf Teneriffa und sammelte im Rahmen dieses Projekts 20.000 Euro für die Deutsche Sporthilfe. Auch als einer von weltweit elf paralympischen Botschaftern des IPC ist Teuber aktiv. Seit 2011 gibt der Paracycler zudem als Landessportverbandstrainer in Bayern seine Erfahrung und die Begeisterung für den pa-ralympischen Sport an Nachwuchsathleten weiter. „Es geht mir nicht nur darum, erfolgreich Wett-kämpfe zu bestreiten. Für mich ist auch das Umfeld wichtig. Und da heißt es eben auch, etwas zu-rückzugeben“, so Teuber.
Trotz seiner Aktivitäten und seines Erfolgs abseits und auf der Rennstrecke wird Teuber allerdings auch immer wieder mit Hindernissen konfrontiert: Erst im vergangenen Jahr traf ihn die im Behinder-tenradsport schwierige Klassifizierungsproblematik. „Um die sportlichen Leistungen vergleichbarer zu machen, werden die Athleten bei uns in verschiedene Kategorien – je nach Handicap – eingeteilt“, erklärt der Paralympics-Sieger. „Nach 15 Jahren wurde ich dann auf einmal in eine andere Klasse ge-steckt. Das war schon ein herber Rückschlag, ich hatte mir meinen Erfolg durch jahrelanges Training ja hart erarbeitet.“ Auch der Weltverband hatte schließlich ein Einsehen – in London startet Teuber wieder in seiner gewohnten Klasse. Dennoch muss er auf seine Spezial-Vollschalen zur Stabilisierung der Unterschenkel und Füße verzichten und darf stattdessen nur noch einfache Schienen verwenden. „Das schränkt mich zwar etwas ein – aber ich weiß trotzdem, dass ich ganz vorne mitfahren kann“, gibt sich Teuber optimistisch.
Rückhalt gibt Teuber dabei vor allem seine Familie: Ehefrau Susanne und Tochter Marieann unter-stützen den heute 44-Jährigen nach Kräften und halten ihm den Rücken frei. „Wir sind ein starkes Team. Meine Familie bedeutet mir sehr viel“, erklärt er. Auch auf seine Partner, allen voran die Spar-kasse Dachau, kann sich der Handicapradsportler verlassen. „Seit fünfzehn Jahren werde ich jetzt schon von der Sparkasse unterstützt. Das und die durch Allianz und Telekom finanzierte Top-Team-Elite-Förderung der deutschen Sporthilfe ermöglichen es mir, mich voll und ganz auf den Sport kon-zentrieren. Eine wichtige Basis für meine Karriere“, so Teuber.
In London will er nun an seiner eindrucksvollen Geschichte weiterschreiben. Die Chancen für erneute Erfolge stehen gut. Trotz des Zwangsverzichts auf seine High-Tech-Schalen besitzt Teuber in zwei Disziplinen Aussichten auf Edelmetall: der Bahn-Verfolgung und dem Einzelzeitfahren auf der Straße. „Vor allem im Zeitfahren möchte ich unbedingt noch einmal als Sieger auf dem Podest stehen und die deutsche Nationalhymne hören“, hat er sich vorgenommen. Um seine Ziele zu erreichen, bereitete sich der Dietenhausener konsequent wie nie zuvor auf die Spiele vor. „Seit Winter ist jeder Trainings-kilometer auf die Paralympics ausgerichtet. Ich bin auf jeden Fall in Form“, freut er sich. Sollte er sei-nen Traum verwirklichen, gewinnt Michael Teuber in London seine vierte paralympische Goldmedail-le. 25 Jahre nach seinem schweren Unfall hätte er damit erneut eines bewiesen: Kampfgeist und ei-serner Wille zahlen sich im Leben aus.