Doping und Dopingsünder bei den Olympischen Spielen getty images; Mit Justin Gatlin (mitte) & Dwain Chambers (rechts) starten zwei Ex-Dopingsünder in London

Doping und Dopingsünder bei den Olympischen Spielen

  • Redaktion
Wer dopt, verschafft sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Aber die Fallhöhe ist riesig, wenn der Schwindel aufgedeckt wird. Das Vertrauen und die Anerkennung der Zuschauer und vor allem auch der Konkurrenten, muss sich der Sportler erst einmal wieder erarbeiten. Viele versuchen dies – auch bei den Olympischen Spielen in London. netzathleten beleuchtet das Thema Doping bei den Olympischen Spielen.

Doping ist leider ein weit verbreitetes Problem im Sport. Horrende Siegprämien, höhere Bekanntschaft durch Erfolg und damit mehr Sponsoren, Anerkennung und Ruhm. Gründe, warum Sportler dopen, gibt es viele. Doch der schnöde Mammon ist wohl immer noch der größte Anreiz. Das ist nachvollziehbar, verbringen Sportler doch die meiste Zeit des Tages beim Training und haben so nur wenig Zeit, sich auf eine weitere berufliche Karriere zu konzentrieren. Wenn dann viel Geld nur darauf wartet, gewonnen zu werden, ist die Verlockung nach verbotenen Substanzen groß.

Wird man von der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) oder einer der nationalen Anti-Doping-Agenturen erwischt, muss man in der Regel mit einer zweijährigen Sperre rechnen. Danach ist alles wieder gut. Noch.

Denn schon 2013 sollen die Statuten für Dopingvergehen geändert werden. Dann soll jeder, der länger als sechs Monate gesperrt ist, automatisch von den nächsten Olympischen Spielen ausgeschlossen werden. Thomas Bach hält dies für den richtigen Weg. Im Interview mit dem „Tagesspiegel“ erklärte er, dass jemand, der nur das falsche Nasenspray benutzt habe, nicht gleichermaßen bestraft werden solle. Wo er früher offen für lebenslange Sperren von Dopingsündern eingestanden ist, denkt er mittlerweile, dass jeder eine zweite Chance verdient habe.

Ausschluss von Olympischen Spielen unzulässig

Das sieht der Internationale Sportgerichtshof (CAS) offenbar genauso, da im Frühjahr ein Urteil für Aufsehen sorgte: Das britische olympische Komitee wollte nur Athleten nominieren, die es auch ethisch für vertretbar hielt, weswegen keine Ex-Dopingsünder bei den Olympischen Spielen an den Start gehen sollten. Dies hat der CAS allerdings gekippt. Nun nehmen für Großbritannien unter anderem auch der Radprofi David Millar und der Sprinter Dwain Chambers teil, beide haben ihre Dopingsperren hinter sich.

Dwain Chambers verkündet dieser Tage, dass er eine „lebende Warnung“ für alle anderen Athleten sein will. Der frühere 100 Meter-Europameister sagte im Interview der „Times“: „Man kann auf Zeiten und Statistiken schauen, aber das hilft dir nicht im Leben. Doping ruiniert dein Leben und du wirst es für immer bedauern.“ Hoffentlich nehmen sich das viele Sportler zu Herzen.

Leichtathletik hat ein besonderes Dilemma“

Helmut Digel, emeritierter Sportwissenschaftler und Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) hält die Leichtathletik für besonders gefährdet, was Doping betrifft. Im Interview mit der „FAZ“ begründet er dies mit der besonders einfachen Vergleichbarkeit von Leistungen. Zudem war in den Zeiten des kalten Krieges Doping offensichtlich besonders verbreitet. Jeder weiß das, aber die Weltrekorde haben dennoch Bestand. Dass diese nicht zur Jahrtausendwende zu Jahrhundertrekorden erklärt und damit ad acta gelegt wurden, bedauert Digel sehr.

Die Liste der Leichtathleten, die schon einmal wegen Dopings gesperrt waren und in London an den Start gehen, ist lang. Bei den Wurfdisziplinen sind es unter anderem Darja Pischtschalnikowa (Diskus, RUS, 4 Jahre Sperre), Tatjana Lysenko (Hammer, RUS, 2 Jahre Sperre) sowie Sandra Perkovi? (Diskus, CRO, sechs Monate Sperre).

Mit Justin Gatlin (USA) ist zudem ein Sprinter in London am Start, der besser als je zuvor aus einer Dopingsperre zurückkehrt. Bei den US-Trials Ende Juni tönte er vollmundig: „Ich habe einem Job zu erfüllen und dafür werde ich machen, was nötig ist. Egal ob ich 10,4 oder 9,4 Sekunden laufen muss.“ Mit einer persönlichen Bestleistung von 9,80 Sekunden hatte er kurz zuvor sportlich aufhorchen lassen. Dabei ist besonders pikant, dass Gatlin im Jahr 2006 nicht zum ersten Mal des Dopings überführt wurde. 2001 wurde er positiv auf Amphetamine getestet und wurde für zwei Jahre gesperrt. Diese Sperre wurde nach seiner Begründung, die Medikamente würde er seit seiner Kindheit gegen eine Aufmerksamkeits-Störung nehmen, auf ein Jahr verkürzt. 2006 wäre er damit als Wiederholungstäter ein Kandidat für eine lebenslange Sperre gewesen, doch wieder kam er mit einem blauen Auge davon. Er beteuerte zunächst „niemals wissentlich illegale Mittel genommen“ zu haben, arbeitete dann aber mit der US Anti-Doping-Agentur zusammen. Er akzeptierte eine achtjährige Sperre, die dann aber auf vier Jahre verkürzt wurde, weswegen er seit 2010 zurück ist im Wettkampfgeschehen. Nun ist er im Alter von 30 Jahren schneller gelaufen, als bei seinem aberkannten Weltrekord von 2006 und darf so an den Olympischen Spielen teilnehmen.

Manche Dopingvergehen sind nicht nur ein sportlicher Betrug, sondern machen den Athleten auch im Privaten lächerlich. Bestes Beispiel: LaShawn Merritt. Vom mehrfachen Olympiasieger und Weltmeister wurde im April 2010 bekannt, dass er drei positive Dopingtests hatte. Das eigentlich absurde ist aber das Mittel, dass er unerlaubterweise genommen hat: Das Prohormon Dehydroepiandrosteron, so seine Erklärung, sei in dem Mittel ExtenZe enthalten, das er genommen habe. Leider habe er das Kleingedruckte nicht gelesen. Pikant: ExtenZe ist ein im freien Handel erhältliches Mittel zur Penisvergrößerung.

Beim Reiten werden Pferde medikamentiert

Längst nicht nur Leichtathleten greifen zu leistungssteigernden Mitteln. Neben dem  Iren Cian O’Connor ist mit dem Deutschen Christian Ahlmann ein weiterer Reiter in London am Start, der eine Dopingsperre abgesessen hat. Nun nehmen die Reiter in der Regel nicht selbst verbotene Substanzen zu sich, sondern verabreichen diese ihren Pferden. Ahlmann beispielsweise benutzte Capsaicin. Damit werden den Pferden meist die Beine eingerieben, da es eine schmerzverursachende Wirkung hat. So soll erreicht werden, dass Springpferde höher springen, um eine Kollision mit einem Hindernis zu vermeiden, da dies starke Schmerzen verursachen würde.

Im Schwimmen sind ebenfalls mehrere Sportler dabei, denen bereits Doping nachgewiesen wurde. Albert Subirats aus Venezuela ist einer der bekanntesten. Der Kurzbahn-Weltmeister von 2010 verpasste gleich drei Kontrollen, was gleichbedeutend mit einem Dopingverstoß ist. Er beteuerte bei einer Anhörung, dass er seine Aufenthaltsorte rechtzeitig bekanntgegeben habe, diese vom nationalen Verband aber nicht übermittelt worden seien. Der Brasilianerin Fabiola Molina wurde dagegen eine verbotene Substanz nachgewiesen, doch rechtzeitig vor den Olympischen Spielen liefen die Sperren beider Sportler ab.

Weitaus prekärer ist das Ganze im Fall von César Cielo. Der Brasilianer wurde 2011 positiv auf das verbotene Mittel Furosemid getestet. Dies ist ein so genanntes Maskierungsmedikament, das eventuell vorhandene Spuren anderer Dopingmittel aus dem Körper ausschwemmt und deswegen selbst auf der Dopingliste steht. Nach der positiven Probe wurde Cielo vom nationalen Verband lediglich verwarnt. Der CAS entschied im Anschluss, dass er an der im Juni 2011 stattfindenden Schwimmweltmeisterschaft teilnehmen darf. Dort wurde er zweifacher Weltmeister, was viele Konkurrenten erst recht empörte.

Radsport hat Anerkennung in Deutschland verloren

Großflächiges Doping hat beispielsweise im Radsport sogar dazu geführt, dass eine ganze Sportart Anerkennung und Glaubwürdigkeit verloren hat. Die Tour de France ist fast so etwas wie der Tummelplatz gedopter Radfahrer. Das war für deutsche Fernsehsender der Anlass, keine weiteren Übertragungsrechte mehr zu erwerben. Auch im Kraftsport werden immer wieder Fälle von Doping bekannt. Im Vorfeld der Olympischen Spiele wurden mehrere Athletinnen und Athleten erwischt und gesperrt.

An eine dopingfreie Zone London, bei den bald beginnenden Weltspielen, glauben Experten auch diesmal nicht. Sylvia Schenk, Dopingexpertin bei Transperency International, sagte im Video-Interview mit dem Stern: „Saubere Spiele kann niemand garantieren. Es gibt zwar inzwischen eine ganze Menge an Dopingkontrollen. Es wird aber noch bei weitem nicht in allen Ländern gleichermaßen auch im Vorfeld kontrolliert, so dass also davon auszugehen ist, dass auch diese Spiele nicht sauber sind.“ 6250 Tests plant die WADA allein in London vorzunehmen. Wie schon bei anderen Großveranstaltungen, werden wieder Proben eingefroren werden, damit diese mit noch nicht entwickelter Technik später nachgetestet werden können. Dass dies ein durchaus probates Mittel ist, hat sich wohl gerade erst gezeigt: Laut übereinstimmenden Presseberichten hat es bei Nachkontrollen von Proben, die bei den Olympischen Spielen 2004 genommen wurden, positive Befunde gegeben.

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