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Deutsche Leichtathletik-Meetings – wie geht es weiter?
- Anja Rau
Leichtathletik ist die Kernsportart der Olympischen Spiele. Keine andere Sportart besteht aus so vielen unterschiedlichen Disziplinen. Das macht die Leichtathletik auch für Zuschauer attraktiv. Nirgends sonst gibt es die Möglichkeit, während einer Sportveranstaltung viele verschiedene Wettkämpfe zu erleben. Doch gerade das wird in Deutschland immer schwieriger.
Leichtathletik-Meetings werden in immer kleinere Sportstätten verlegt, moderne Stadien immer häufiger ohne Laufbahn und nur für Fußball konzipiert. Das allein wäre jedoch noch kein Problem. In manchen Städten, wie Kassel, sind schöne Anlagen entstanden, die für die Leichtathletik bestens geeignet sind. Dazu kommt, dass in diesen Gegenden häufig kein hochklassiger Fußball gespielt wird, weswegen viele Kapazitäten für Sportveranstaltungen frei sind.
Meetings trotz Zuschauerzuspruch abgesagt
Trotzdem wurde für diese Saison bereits das vierte Meeting abgesagt. Problem waren zumindest bei drei Events nicht die Sponsoren, sondern augenscheinliche Misswirtschaft und Kommunikationsprobleme des Veranstalters. In Kassel, Cuxhaven und Biberach gab es bisher die so genannte „Weltklasse“ zu sehen. Alle drei Veranstaltungen wurden von Heinz Hüsselmann und seiner Agentur Performance Promotion GmbH organisiert. Als Athleten im Anschluss an die Meetings bei den Verwaltern der einzelnen Standorte nach ausstehenden Honoraren fragten, waren diese überrascht. Von fehlenden Zahlungen wussten sie nichts. Die Konsequenz aus dieser Misswirtschaft: Der Verband strich die Serie aus dem Terminkalender. Namhafte Athleten wären vermutlich sowieso nicht mehr bereit gewesen zu starten. Für die Veranstaltungen bedeutet dies zumindest für das Jahr 2012 das Aus.
Auch in Cottbus wird in diesem Jahr keine Leichtathletik zu sehen sein. Das Meeting musste aufgrund der fehlenden finanziellen Absicherung abgesagt werden. Der Organisationschef Uli Hobeck konnte schon im letzten Jahr das Meeting nur mit Mühe stemmen. Für dieses Jahr war er nicht bereit weitere Abstriche, unter anderem bei der Athletenverpflichtung, hinzunehmen.
Immer mehr Spezialmeetings
Nur noch fünf Leichtathletik-Veranstaltungen mit internationaler Top-Besetzung und einem breiten Wettbewerbsangebot finden diese Freiluft-Saison in Deutschland statt. Die Tendenz geht zu Spezialmeetings mit nur wenigen Disziplinen, wie beispielsweise den Springermeetings in Dresden und Eberstadt oder den Werfertragen in Halle/Saale.
Derartige Spezialmeetings locken in der Regel jedoch nur Zuschauer, wenn auch deutsche Athleten zur Weltspitze gehören und um den Sieg mitkämpfen können. Gerade Laufveranstaltungen finden – obwohl Sprints bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften immer große Zuschauermagnete sind – daher nur selten statt. Bei Laufmeetings werden mehrere Disziplinen ausgetragen, was zur Folge hat, dass entsprechend mehr Athleten verpflichtet werden müssen. Dadurch hat der Veranstalter höhere Kosten zu tragen, die Meetings werden unrentabel.
Deutsche Athleten können sich nicht mit Konkurrenz messen
Für die deutschen Läufer und Sprinter bedeutet dies, dass sie sich nur selten mit der Konkurrenz messen können. Oft nicht in der Weltspitze, werden sie auch nicht zu internationalen Meetings eingeladen.
Insbesondere für den Nachwuchs ist das ein ernstzunehmendes Problem. Woher soll er wissen, wie gut er wirklich ist? Wie sollen junge Athleten die Situation bei einer Großveranstaltung kennenlernen? Wie sollen Meeting-Veranstalter auf sie aufmerksam werden?
Selten ist es der Fall, dass Athleten es schaffen, sich selbst zu Meetings einzuladen. Erfolg hatte dieser Versuch im letzten Jahr bei Gesa Felicitas Krause: Sie fuhr 2011 nach ihrem Sieg über 3000 Meter Hindernis bei der U20-EM auf eigene Faust zum Meeting nach London (Großbritannien) und unterbot dort die Norm für die Weltmeisterschaft in Daegu (Südkorea). Dort hat sie nochmals mit einem europäischen Jugendrekord auf sich aufmerksam gemacht und wurde starke Neunte. Fraglich ist aber, wie vielen solch ein Coup ebenfalls gelingen würde.
ISTAF-Meeting-Direktor kennt diese Probleme
Diese Probleme sieht auch ISTAF-Meeting-Direktor Gerhard Janetzky. Er wünscht sich für die deutschen Athleten Wettkämpfe mit hochklassiger Beteiligung, in denen die Abläufe von Großereignissen simuliert werden können. „Außerdem brauchen die Athleten starke Konkurrenz, um selbst herausragende Leistungen zu bringen. Wie sollen sie sonst die Normen für Meisterschaften erreichen?“
In Deutschland sind diese guten Leistungen seiner Meinung nach nur selten zu erreichen: „Die Zahl der Vollmeetings schrumpft in Deutschland immer weiter. In den letzten zwei Jahren sind, glaube ich, acht Vollmeetings aufgegeben worden“, verdeutlicht Gerhard Janetzky, ein alter Hase im Meeting-Geschäft. Seit 2002 ist er der Meeting-Direktor des Berliner ISTAF, seit 2009 außerdem Präsident des Berliner Leichtathletik-Verbands. Das ISTAF, das bereits 1921 erstmals stattfand, ist das zuschauerstärkste Ein-Tages-Meetings der Leichtathletik.
Forderung nach eigener Veranstaltungsreihe
Janetzky fordert schon seit längerem eine eigene Veranstaltungsreihe für Leichtathletik-Wettbewerbe. Er verweist in seiner Forderung unter anderem auf den Weltcup der Biathleten. „So etwas sollte es für die Leichtathletik auch geben“, erklärt er. Dabei möchte er die regionale Ausrichtung der Leichtathletik-Feste durchaus beibehalten, diese aber durch eine nationale und internationale Komponente ergänzen.
Janetzkys Plan ist dabei drei bis vier Meetings zu einer Reihe zusammenzuschließen, ähnlich wie es bei der Golden League international der Fall war. Für diese würden die gleichen Athleten verpflichtet, die dann bei jedem Wettbewerb um einen Jackpot kämpfen. Durch gleiche Sponsoren, gemeinsame Vermarktung und eine einheitliche Struktur könnte man eine starke Identität erschaffen.
Feste Disziplinen um regional starke ergänzen
„Am Anfang eines Jahres setzen sich die Organisatoren zusammen und beschließen, welche ungefähr acht Disziplinen in die Meetingreihe aufgenommen werden. Dazu kann jeder Veranstalter noch ein paar weitere für seine eigene Veranstaltung auswählen, die dann nicht für den Jackpot zählen“, erklärt er sein Wunschkonzept. In den Regionaldisziplinen könnten somit regionale Spitzenathleten ihr Können zeigen, ohne dass die Disziplin jedes Mal stattfinden muss. So werden die Zuschauer mit ihrem Wunsch nach Lokalität sowie die Fans, die Spitzenleistungen fordern, gleichermaßen erreicht.
Die erwünschte Liga müsste nach Janetzkys Meinung in der ersten Hälfte der Saison stattfinden, damit Qualifikationsnormen erfüllt und Wettkampfhärte erarbeitet werden können. Denn nur so können deutsche Athleten auch bei internationalen Meisterschaften ihr Können beweisen.
Für Sponsoren und TV attraktiv
Mit der deutschlandweiten Ausrichtung und den vereinzelten internationalen Startern verspricht sich der Vater der Idee auch eine bessere Vermarktung: „Bei Ein-Tages-Meetings werben Sponsoren nur für einen Tag, bei einer Liga wäre ihr Name über die Serie zu sehen. Das veranlasst wohl mehr Marken, in die Leichtathletik zu investieren.“
Genauso sieht Janetzky auch das Potenzial für TV-Übertragungen. Bislang wird aus Deutschland nur die Deutsche Freiluft-Meisterschaft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt, zudem eine mehrstündige Übertragung des ISTAF. Ansonsten tauchen höchstens im Nachrichtenblock von Dritten Programmen die Regionalmeetings auf.
Mit einer eigenen Liga gäbe es ein vermittelbares Konzept mit wiederkehrenden Sportlern. „Wenn wir eine solche Serie mit wiedererkennbaren Themen haben, dann glaube ich auch, dass man die Medien dafür begeistern kann“, prophezeit Janetzky. Zudem wäre es auch für die TV-Zuschauer spannend: „Die Namen prägen sich dann ein, wie die Namen Kaisa Mäkäräinen oder Tora Berger im Biathlon.“ So würde das Publikum eher mitfiebern, als wenn es bis auf ein oder zwei deutsche Stars niemanden kennt.
Leichtathletik-Veranstaltungen zuschauergerecht machen
Mit der Forderung sich mit allen Organisatoren auf acht bis zehn Disziplinen zu einigen, geht auch der Wunsch einher, die Leichtathletik zuschauergerechter zu machen. „Zuschauer sind fußballgeprägt, zwei Mal 45 Minuten ist jeder gewöhnt, aber nicht drei Stunden. Das ist zu lang, da muss man ein straffes und knackiges Programm anbieten“, kann Janetzky die Wünsche der Zuschauer verstehen. Die Vielfalt der Sportart soll dabei nicht verloren gehen, aber man müsse sich auf eine attraktive Auswahl begrenzen.
Spezialmeetings unabhängig von Liga
Die angesprochenen Spezialmeetings für bestimmte Disziplinbereiche sollen von der Liga nach Janetzkys Vorstellungen nicht tangiert werden. Diese hält er für wichtig und glaubt auch an deren Erfolg: „Zum einen sind sie für den Zuschauer leichter nachvollziehbar, zum anderen sind sie kürzer und haben ökonomischen Gründe, denn natürlich sind sie billiger.“ So müssen bei weniger Disziplinen auch weniger Athleten verpflichtet werden. Dennoch sind sie nach Ansicht des Berliner Verbandspräsidenten kein Ersatz für Vollmeetings, bei denen die ganze Breite der Leichtathletik ausgeschöpft wird.
Zukunft auch von Kooperation abhängig
Mit der Erschaffung einer Leichtathletik-Liga könnte die beliebte Breitensportart wieder näher an den Zuschauer gebracht werden. Dafür müssten sich Organisatoren finden, die bereit sind an einem Strang zu ziehen und für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten.
Den guten deutschen Athleten, von denen es zurzeit laut Janetzky so viele wie lange nicht gibt, wäre damit wieder eine Plattform gegeben.
Noch steckt die Idee des ISTAF-Meeting-Direktors in den Kinderschuhen. Ob eine Leichtathletik-Liga überhaupt realisiert wird, ist derzeit ebenso fraglich, wie das genaue Konzept.
Klar ist nur, dass für die Leichtathletik in Deutschland ein Weg in die Zukunft gefunden werden muss. Denn wenn noch mehr Meetings aussterben, gibt es bald gar keine Präsentationsmöglichkeiten für die Athleten mehr.