Interview mit HSV-Jugendtrainer Pit Reimers: "Jeder darf Fehler machen"

Interview mit HSV-Jugendtrainer Pit Reimers: "Jeder darf Fehler machen"

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Seit ein paar Wochen läuft die Bundesliga wieder. Für den HSV noch nicht wie gewünscht. Den Wunsch Profifußballer zu werden haben viele Kinder und Jugendliche. Aber der Weg dahin ist hart. Im Interview spricht HSV-Jugendtrainer Pit Reimers über Training, Verzicht und was es heißt Profifußballer zu werden.

citysports.de: Eltern sind schnell überzeugt von dem Können ihres Kindes. Erhält das HSV-Nachwuchsleistungszentrum viele Anrufe von Ihnen?
Pit Reimers: Ständig fragen Eltern nach einem HSV-Probetraining für ihr Kind. Im regulären Trainingsbetrieb ist dies jedoch schwer umzusetzen, daher empfehlen wir grundsätzlich die Arriba Try Outs. 300 Kinder haben ein Mal im Jahr unter den Augen des Nachwuchstrainers und Scouts die Möglichkeit ihr Talent zu beweisen.

Ist das der einzige Weg, Nachwuchs-Kicker zu entdecken?
Unsere Scouts sind an jedem Wochenende bei Turnieren und Spielen. Zusätzlich schauen sie sich Ländervergleiche wie Hamburg gegen Schleswig-Holstein an. Bei der U9-U13 konzentrieren wir uns vorwiegend auf Hamburger Talente. Der Radius wird von Jahr zu Jahr größer. Ab der U15 scouten wir deutschland- bzw. europaweit, da wir ab dieser Altersklasse Plätze in unserem Internat zur Verfügung stellen. Wichtig sind aber auch die eigenen Mannschaftstrainer. Wer gegen uns auffällt, dessen Namen notieren wir uns.

Wissen die Spieler, dass ein Scout am Spielfeldrand steht?
Besser nicht, damit der Spieler sich so gibt, wie er ist - also ohne äußere Einflüsse. Wir schauen uns interessante Spieler häufiger an. Wichtig ist, den Spieler so gut wie möglich zu kennen und gegen einen starken Gegner agieren zu sehen.

Somit ist bereits in der Jugend jedes Spiel wichtig, um entdeckt zu werden. Nichtsdestotrotz sind bei den Jüngeren 14, 18 bzw. 22 Aktive auf dem Feld, wie fällt man auf?
Am ehesten fällt man auf, wenn man den Ball gut beherrscht und schneller ist als der Gegner.

Schneller im Sinne von Sprint?
In erster Linie ist damit das Laufen gemeint. Aber ich meine auch die Handlungsschnelligkeit. Wie schnell erkennt der Fußballer eine Situation und findet eine Lösung.

Was ist noch entscheidend?
Körperliche Fitness ist immer Grundvoraussetzung und ganz besonders der Charakter.

Warum die Persönlichkeit?
Um ganz nach oben zu kommen, braucht man einen starken Willen, Ehrgeiz und Trainingsfleiß, man muss sich stetig verbessern wollen. Sonst macht das keinen Sinn. Ein Scout achtet darauf, wie sich ein Spieler verhält, wenn er 1:0 oder gar 2:0 mit seiner Mannschaft im Rückstand steht. Krempelt er seine Ärmel hoch und geht voran oder sucht er die Schuld bei Mitspielern. Interessant ist auch, wenn ein guter Torwart ein 0:1 verschuldet. Wie geht er damit um?

Sein Fehler …
Natürlich darf jeder Fehler machen. Kinder und Jugendliche dürfen und sollen Fehler machen, denn nur daraus kann man lernen!

Wer es bereits geschafft hat in der HSV-Jugend zu spielen, will natürlich Profi-Fußballer werden. Wie viele schaffen den Weg in die Bundesliga?
Ein geringer Prozentsatz schafft es in den Profifußall. Natürlich gehört auch Glück dazu. Verletzungspech spielt eine häufige Rolle und, ob der Trainer auf einen setzt. Jürgen Klopp ist ein gutes Beispiel. Er hat den jungen Spielern vertraut und wurde belohnt.

Prüfen Sie Ihre Spieler auch regelmäßig?
So sehr ich den Job liebe, ich sehe die Spieler 4 mal wöchentlich und am Wochenende, alle sind mir ans Herz gewachsen. Natürlich fällt es dann schwer zu sagen, dass ein Spieler leider gehen muss. Jede Saison muss er sein Können unter Beweis stellen.

Und immer am Ball bleiben und trainieren. Vier Mal in der Woche zum Training, am Wochenende ein Spiel, abends müde Hausaufgaben machen, keine Zeit für Freunde, Freundin, keine Parties… Was nervt den Nachwuchs am meisten?
Wer bei uns spielt, ist stolz darauf. Wer sich für Leistungsfußball entscheidet, weiß, dass er auf einiges verzichten muss. Dafür erlebt er aber auch Dinge, die andere Jugendliche in seinem Alter nie erleben werden. In der Pubertät treten andere Interessen in den Vordergrund. Doch die Erfolgreichen sind sehr gut organisiert, um Fußball, Freizeit und Schule unter einen Hut zu bekommen. Uns ist immer sehr wichtig, dass sie einen Schulabschluss haben. Aus der Mannschaft entstehen Freundschaften. Eine wichtige Rolle spielen auch die Erwachsenen: Eltern, Lehrer, Trainer. Die Kommunikation unter Ihnen muss immer im Sinne des Jungen sein.

Sicherlich haben aber auch seine Familie und Freunde hohe Erwartungen in ihn. Der Druck ist also groß. Sind Sie als Trainer da auch als Psychologe gefordert?
Es gibt Eltern, die sehr ehrgeizig sind. Vielleicht weil sie es selber nicht geschafft haben, übertragen sie es auf ihr Kind und üben Druck aus. Es gibt aber auch Eltern, die ihr Kind machen lassen und es unterstützen. Die meisten Spieler wohnen nicht um die Ecke. Die Eltern bringen sie, fahren sie zum Spiel etc. Als Trainer muss ich mit den Eltern zusammenarbeiten – aber, alles was sportlich ist, bitte raushalten!

Nationalspieler Miroslav Klose ist erst sehr spät entdeckt worden - wann ist der Zug Profifußballer zu werden abgefahren?
Es gibt 18-Jährige, die noch einen Wachstumsschub bekommen und sich daraus neue Stärken ergeben. Das Scouting-Netz ist allerdings so eng, dass so ein Fall wie Miroslav Klose sich kaum wiederholen wird. Das goldene Lernalter liegt zwischen 9 und 13 Jahren. Dort fällt es den Kindern besonders leicht Techniken zu erlernen. Das ist später sehr schwer wieder aufzuholen. Uns ist es wichtig, die Spieler so früh wie möglich bei uns zu haben, damit wir sie begleiten, betreuen, trainieren und weiterentwickeln können.
Vielen Dank für das Gespräch.

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Zur Person: Pit Reimers
Pit Reimers (27) ist HSV-U13-Trainer der Young Talents sowie Ansprechpartner für Öffentlichkeitsarbeit des HSV-Nachwuchsleistungszentrum.
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Interview: citysports.de, Anne Nyhuis 09 / 2011

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