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Long-Covid-Syndrom: Geduldsprobe für Leistungssportler
- Dr. Christian Graz
Long-Covid ist die typische Krankheit der anderen. Die Angst vor einer Corona-Ansteckung schwindet derzeit rapide. Gleichzeitig glaubt kaum jemand, dass sie oder er zu jenem Teil der Patienten gehört, die nach einer kurzen Krankheitsphase nicht schnell wieder gesund werden. Gerade junge Menschen und insbesondere Leistungssportler sind überzeugt, „ich werde schon kein Long-Covid-Syndrom bekommen“. Die Zahlen und einzelne Beobachtungen sprechen eine andere Sprache.
Studien zeigen, dass 10 bis 30 Prozent der Corona-Infizierten Langzeitfolgen entwickeln. Long-Covid-Patienten sind dabei nicht selten jung und ohne Vorerkrankungen. Nach mildem Akutverlauf treten dann Symptome wie chronisch bleierne Schwere, Müdigkeit, neurologisch-muskuläre Beeinträchtigungen und Schmerzen auf.
Und häufig sind auch Spitzensportler betroffen. Es vergeht kein Tag, an dem sich nicht ein Topathlet infiziert und in Quarantäne muss. In diesem Moment ist dann Angst groß, dass Langzeitfolgen dazu führen, jemals wieder das alte Leistungsniveau zu erreichen.
Gerade im Leistungssport reicht eine kleine Schraube, die nicht mehr funktioniert, um das auf Höchstleistung ausgelegte System zu gefährden. Niemand kann seriös voraussagen, ob die Infektion nicht in eine Sackgasse führt.
Beispiele aus dem Berufs- und Spitzensport gibt es genug. Beinahe vergessen ist, dass Bayern-Profi Joshua Kimmich über Wochen nach einer Corona-Erkrankung ausfiel. Der dreimalige Ringer-Weltmeister Frank Stäbler konnte lange nicht einmal mehr eine Kerze auspusten. An Post-Covid litten oder leiden unter anderem auch Lenka Kreundl (Profischwimmerin), Robin Seidl (Beachvolleyball), Steffi Kriegerstein (Kanutin) und die Ruderin Marie-Sophie Zeidler. Die Dunkelziffer an Fällen dürfte hoch sein, kann ein öffentliches Long-Covid doch rasch das Ende der Karriere bedeuten. Sportlerwelten brechen dann zusammen.
Wie real dieses Risiko ist, zeigen Messungen aus Bundesliga- und Serie-A-Spielen: vormals Covid-infizierte Fußballprofis spielten noch 6 Monate nach der Covidpause signifikant weniger Pässe und liefen zudem deutlich weniger Kilometer pro Spiel.
Eine große Schwierigkeit für Sportler mit Anzeichen von Long-Covid ist der richtige Zeitpunkt für das Comeback. Wer sich zu früh der gewohnten Trainingsbelastung aussetzt, spielt mit seiner Gesundheit und riskiert irreparable Schäden. Die nötige Geduld, so meine Erfahrung mit betroffenen Sportlern, bringt kaum einer auf. Das Körpergefühl kann dabei trügerisch sein. Leistungssportler haben eine andere Schmerzwahrnehmung und sind es routinemäßig gewohnt, Körperwarnsignale wegzudrücken und Maximalleistung abzurufen. Ehrgeiz und ein zu früher Einstieg ins mehrstündige Ausdauer- und Krafttraining sind gefährlich!
Bei der ursächlichen Herleitung und Bewertung psychischer Post-Covid-Symptome sollte der Therapeut auch an die differenzialdiagnostische Abgrenzung zu einer übertriebenen Selbstbeobachtung bei jungen Topathleten oder an den erlebten Kontrollverlust bei den ja überwiegend perfektionistisch-leistungsorientierten Spitzensportlern denken.
Eine umfassende Information über die Post-Covid-Erkrankung ist hier besonders wichtig. Gerade in der Sportwelt stellt die Akzeptanz einer möglichen wochenlangen Leistungseinschränkung durch quälende körperlich-psychische Symptome eine große persönliche Herausforderung dar. Ziel ist das Zugeständnis der eigenen Verletzbarkeit, was im Austausch mit sportlichen Schicksalsgefährten deutlich leichter fallen dürfte.
FAZIT: Der Leistungssport muss sich die Verwundbarkeit durch eine SARS-CoV-2-Infektion eingestehen. Oberstes Ziel ist, die vielfältigen Symptome besser zu definieren und valide Biomarker zu etablieren, um das neue Krankheitsbild adäquat zu erkennen sowie Spitzensportler schnellstmöglich der besten geeigneten Behandlungsmaßnahme zuzuführen. Dabei ist eine fachübergreifende Versorgungsstruktur wichtig: nur ein enger Austausch von Spitzensportverbänden und Betroffenen mit Experten aus Pneumologie, Kardiologie, Rheumatologie, Schmerzmedizin, Neurologie, Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie wird den medizinischen Herausforderungen des Post-Covid-Syndroms im Bereich des Leistungssports gerecht.
Neben körperlichen Spätfolgen wie beispielsweise Kurzatmigkeit, Luftnot, Brustschmerzen, lästiger Husten, Herzklopfen, Kopfweh, Bauchschmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Haarausfall, Schwitzen, Hör-, Riech- und Geschmacksstörungen, neuromuskuläre Schmerzmanifestationen und neuroimmunologischen Krankheitsbildern des Zentralen Nervensystems zeigt sich ein Cluster aus neuropsychiatrisch-psychosomatischen Symptomen wie übersteigerte Müdigkeit (Fatigue), Schlafstörungen und Erschöpfung, Leistungsknick, Gedächtnisstörungen mit kognitiven Einschränkungen („brain fog“), Depression und Angststörungen. Häufig interagieren die aufgezählten körperlichen und psychischen Symptome miteinander und schaukeln sich ungünstig auf.
Zur Person:
Dr. Christian Graz ist Chefarzt der Psychosomatik der Max Grundig Klinik auf der Bühlerhöhe. Graz ist Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Verhaltenstherapeut, Suchtmediziner und Forensiker, der langjährig Führungskräfte wie auch Berufssportler behandelt. Auf netzathleten.de gibt er in seiner Reihe "Fit mit Köpfchen" mentale Tipps für mehr Fitness und Leistungsfähigkeit.
Und häufig sind auch Spitzensportler betroffen. Es vergeht kein Tag, an dem sich nicht ein Topathlet infiziert und in Quarantäne muss. In diesem Moment ist dann Angst groß, dass Langzeitfolgen dazu führen, jemals wieder das alte Leistungsniveau zu erreichen.
Gerade im Leistungssport reicht eine kleine Schraube, die nicht mehr funktioniert, um das auf Höchstleistung ausgelegte System zu gefährden. Niemand kann seriös voraussagen, ob die Infektion nicht in eine Sackgasse führt.
Beispiele aus dem Berufs- und Spitzensport gibt es genug. Beinahe vergessen ist, dass Bayern-Profi Joshua Kimmich über Wochen nach einer Corona-Erkrankung ausfiel. Der dreimalige Ringer-Weltmeister Frank Stäbler konnte lange nicht einmal mehr eine Kerze auspusten. An Post-Covid litten oder leiden unter anderem auch Lenka Kreundl (Profischwimmerin), Robin Seidl (Beachvolleyball), Steffi Kriegerstein (Kanutin) und die Ruderin Marie-Sophie Zeidler. Die Dunkelziffer an Fällen dürfte hoch sein, kann ein öffentliches Long-Covid doch rasch das Ende der Karriere bedeuten. Sportlerwelten brechen dann zusammen.
Wie real dieses Risiko ist, zeigen Messungen aus Bundesliga- und Serie-A-Spielen: vormals Covid-infizierte Fußballprofis spielten noch 6 Monate nach der Covidpause signifikant weniger Pässe und liefen zudem deutlich weniger Kilometer pro Spiel.
Eine große Schwierigkeit für Sportler mit Anzeichen von Long-Covid ist der richtige Zeitpunkt für das Comeback. Wer sich zu früh der gewohnten Trainingsbelastung aussetzt, spielt mit seiner Gesundheit und riskiert irreparable Schäden. Die nötige Geduld, so meine Erfahrung mit betroffenen Sportlern, bringt kaum einer auf. Das Körpergefühl kann dabei trügerisch sein. Leistungssportler haben eine andere Schmerzwahrnehmung und sind es routinemäßig gewohnt, Körperwarnsignale wegzudrücken und Maximalleistung abzurufen. Ehrgeiz und ein zu früher Einstieg ins mehrstündige Ausdauer- und Krafttraining sind gefährlich!
Was tun, wenn die Beschwerden die Psyche überfordern
Wenn ein Post-Covid-Syndrom zu einem psychologischen Überstress führt, suchen Spitzensportler auch Psychologen auf. Therapieoptionen der psychischen Symptome des Post-Covid-Syndroms können eine kognitive Verhaltenstherapie sowie körper- und bewegungsfokussierte Interventionen umfassen. Pharmakologisch wird eine vorübergehende Medikation mit Stimulanzien und Antidepressiva mit dem Sportler abgewogen. Eine wesentliche Problematik bei nachweisbaren psychosomatischen Symptomen und psychischen Funktionsbeeinträchtigungen besteht in der kausalen Abgrenzung zu Infekt-unabhängigen Störungen beziehungsweise zu lebensgeschichtlichen Einflussfaktoren.Bei der ursächlichen Herleitung und Bewertung psychischer Post-Covid-Symptome sollte der Therapeut auch an die differenzialdiagnostische Abgrenzung zu einer übertriebenen Selbstbeobachtung bei jungen Topathleten oder an den erlebten Kontrollverlust bei den ja überwiegend perfektionistisch-leistungsorientierten Spitzensportlern denken.
Eine umfassende Information über die Post-Covid-Erkrankung ist hier besonders wichtig. Gerade in der Sportwelt stellt die Akzeptanz einer möglichen wochenlangen Leistungseinschränkung durch quälende körperlich-psychische Symptome eine große persönliche Herausforderung dar. Ziel ist das Zugeständnis der eigenen Verletzbarkeit, was im Austausch mit sportlichen Schicksalsgefährten deutlich leichter fallen dürfte.
FAZIT: Der Leistungssport muss sich die Verwundbarkeit durch eine SARS-CoV-2-Infektion eingestehen. Oberstes Ziel ist, die vielfältigen Symptome besser zu definieren und valide Biomarker zu etablieren, um das neue Krankheitsbild adäquat zu erkennen sowie Spitzensportler schnellstmöglich der besten geeigneten Behandlungsmaßnahme zuzuführen. Dabei ist eine fachübergreifende Versorgungsstruktur wichtig: nur ein enger Austausch von Spitzensportverbänden und Betroffenen mit Experten aus Pneumologie, Kardiologie, Rheumatologie, Schmerzmedizin, Neurologie, Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie wird den medizinischen Herausforderungen des Post-Covid-Syndroms im Bereich des Leistungssports gerecht.
Element Definition Long-Covid
Unter dem Post-COVID-Syndrom werden körperlich-psychische Krankheitssymptome zusammengefasst, die nach einer akuten SARS-CoV-2 („severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2“)-Infektion auftreten und die über einen Zeitraum von Wochen und Monaten anhalten. In der medizinischen Wissenschaft wird der Sammelbegriff Post-COVID als sog. Multiorganmanifestation aufgefasst: entsprechend kann sich klinisch ein buntes Bild aus komplexen Beschwerden zeigen, die assoziiert sind mit einer durchgemachten Coronainfektion und die nicht durch eine andere Diagnose erklärt werden können. Besorgniserregend sind erste Studien zur globalen Post-COVID-Prävalenz: bei einem Viertel bis zu einem Drittel aller Infizierten können sich Langzeitfolgen manifestieren (Chen Haupert, Zimmermann, 2022).Neben körperlichen Spätfolgen wie beispielsweise Kurzatmigkeit, Luftnot, Brustschmerzen, lästiger Husten, Herzklopfen, Kopfweh, Bauchschmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Haarausfall, Schwitzen, Hör-, Riech- und Geschmacksstörungen, neuromuskuläre Schmerzmanifestationen und neuroimmunologischen Krankheitsbildern des Zentralen Nervensystems zeigt sich ein Cluster aus neuropsychiatrisch-psychosomatischen Symptomen wie übersteigerte Müdigkeit (Fatigue), Schlafstörungen und Erschöpfung, Leistungsknick, Gedächtnisstörungen mit kognitiven Einschränkungen („brain fog“), Depression und Angststörungen. Häufig interagieren die aufgezählten körperlichen und psychischen Symptome miteinander und schaukeln sich ungünstig auf.
Zur Person:
Dr. Christian Graz ist Chefarzt der Psychosomatik der Max Grundig Klinik auf der Bühlerhöhe. Graz ist Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Verhaltenstherapeut, Suchtmediziner und Forensiker, der langjährig Führungskräfte wie auch Berufssportler behandelt. Auf netzathleten.de gibt er in seiner Reihe "Fit mit Köpfchen" mentale Tipps für mehr Fitness und Leistungsfähigkeit.