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Interview mit Rallye-Pilotin Stefanie Manns

  • Nils Borgstedt
Stefanie Manns ist eine der Frauen, die in klassische Männerdomänen vorstoßen, sie ist Rallye-Fahrerin. 2013 startet sie zum zweiten Mal bei der Rallye Dakar. netzathleten.de sprach mit ihr über ihre Ziele, die Strecke und über die Umweltverschmutzung.

netzathleten: Woher kommt deine Faszination für den Motorsport? Deine Heimatstadt Osterode am Harz ist nicht gerade als Mekka für Motorsportler bekannt…
Stefanie Manns: (lacht) Ich bin einfach mit Autos groß geworden. Meine Familie war recht „autolastig“. Meine Oma hatte eine Autohaus, meine Eltern eine LKW-Vermietung. Ich habe schon beim Aufstehen auf den Hof voller Autos geschaut. Und irgendwann kam dann natürlich auch der Wunsch, die alle bewegen zu können.

netzathleten: Die Rallye Dakar findet dieses Jahr wiedermal nicht in ihrem Namensgebenden Ort statt. Wie stehst du dazu? Sollte man sie nicht umbenennen?
Stefanie Manns: Ja das stimmt, das ist für die meisten verwirrend. Aber ich denke, Coca Cola würde sich auch nicht umbenennen, wenn sie keine Cola mehr verkaufen würden. Der Name wurde einfach beibehalten, weil er vielen, auch außerhalb des Motorsports, ein Begriff ist. Und die Entscheidung, die Dakar nach Südamerika zu verlegen, war in meinen Augen die richtige. Die Begeisterung, die uns Fahrern und der gesamten Veranstaltung dort entgegen gebracht wird, ist einfach Wahnsinn.

netzathleten: Die Strecke geht dieses Jahr von Peru über Argentinien nach Chile. Was erwartest du von ihr?
Stefanie Manns: Es wird ähnlich wie letztes Jahr, nur dieses Mal von Norden nach Süden. Daher denke ich auch, dass es vor allem am Anfang ziemlich hart wird. Da erwarten uns Dünenkilometer en masse.

netzathleten: Aber das ist ja vielleicht gar nicht verkehrt, den harten Teil am Anfang zu haben, wenn das Auto noch fit ist…
Stefanie Manns: Ja, das stimmt. Das Auto ist natürlich fitter. Aber das wird nicht das entscheidende sein. Wichtig ist, dass man gut über die Dünen kommt, egal ob das Auto gut oder schlecht ist. Der Anfang wird hart und das Feld wird ein erstes Mal ausgesiebt. Ich hoffe, ich bin nicht dabei. (lacht)

netzathleten: Du hast die Härte eines solchen Rennens bereits angesprochen. Aber nicht nur für das Auto sondern auch für die Fahrer ist die Dakar extrem belastend. Sind die Anforderungen für die Teilnehmer psychisch oder physisch anstrengender?
Stefanie Manns: Beides. Es ist einfach insgesamt anstrengend, da gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Kopf und Körper. Es sind teilweise 50 bis 60 Grad im Auto, man muss in der Wüste Reifen wechseln und so weiter. Dennoch merkt man irgendwann, dass der Kopf über den Körper siegt. Diese Erfahrung habe ich letztes Jahr gemacht. Ich habe die körperliche Erschöpfung erst bemerkt, als ich wirklich im Ziel war. Davor war ich so im Rennen, von so vielen Emotionen ergriffen, dass ich einfach funktioniert habe. Wenn man nicht so ergriffen wäre, vom Rennen, von allem Drumherum, würde man wahrscheinlich mehr leiden, als ich es damals getan habe.

netzathleten: Und wie bereitest du dich auf solche extremen Situationen vor?
Stefanie Manns: Ich bin vorher ja schon kleinere Rallyes gefahren und habe so das Wüstenfahren gelernt. Irgendwann kann man seine Umgebung „lesen“. Man weiß, wo die Düne hart ist, wo weich. Und wenn man das einmal drin hat, dann verlernt man das auch nicht so schnell wieder.

netzathleten: Vor 11 Jahren, 2001, hat eine Frau zum ersten und einzigen Mal die Rallye Dakar gewonnen. Ist Jutta Kleinschmidt ein Vorbild für dich?
Stefanie Manns: Klar müsste ich sagen, sie ist ein Vorbild. Aber dadurch, dass ich nicht von Kindesbeinen an Rennfahrerin werden wollte, sondern eher aus meinem Hobby etwas Größeres gemacht habe, sind die Voraussetzungen andere. Dennoch ist es ein Traum von mir irgendwann die Dakar zu gewinnen. Aber das ist ein langfristiges Ziel. Darüber dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir die nächsten zwei Jahre noch nicht sprechen. Nichtsdestoweniger war es natürlich eine klasse Leistung, die Jutta Kleinschmidt abgeliefert hat.

netzathleten: „Irgendwann die Dakar gewinnen“ hast Du gerade als Langzeitziel genannt. Letztes Jahr lautete dein Ziel für die Dakar: unter das erste Drittel kommen. Wie sehen die kurzfristigen Ziele aus? Wo möchtest Du dieses Jahr landen?
Stefanie Manns: Ursprünglich wollte ich letztes Jahr einfach nur durchkommen. Das mit dem ersten Drittel hat sich während dem Rennen ergeben. Am Ende war es Platz 60 beziehungsweise 64, also für das erste Mal nicht schlecht. Auch dieses Jahr gilt es, das Rennen zu Ende zu fahren. Dennoch habe ich letztes Jahr Fehler gemacht, aus denen ich gelernt habe und die mir nicht nochmal passieren werden. Zudem haben wir am Auto gearbeitet und es weiter verbessert. Eine technisch einwandfreie Dakar wird man dennoch nie haben. Repariert man eine Schwachstelle am Auto, fallen einem drei neue auf. Aber so ist es, und damit muss jeder Fahrer zurechtkommen. Ich hoffe, dass wir insgesamt weniger technische Probleme haben als letztes Jahr und allein deshalb schon weiter nach vorne kommen.

netzathleten: Technische Schwierigkeiten, Probleme am Auto. Sind Technik und Auto nicht auch einfach eine Budgetfrage?
Stefanie Manns: Absolut. Dazu kommt, dass natürlich auch das Training sehr teuer ist, weil es immer weit weg stattfinden muss. Unser Budget ist klein, unser Team ist aber dennoch gut ausgerüstet. Trotzdem gehen wir mit unseren Ersatzteilen anders um, als die Topteams.

netzathleten: Hat man überhaupt Chancen auf den Sieg, wenn man ein kleines Budget hat?
Stefanie Manns: Was heißt eine Chance? Man hat eine Chance in dem Bereich, in dem man sich einordnen kann. Die ersten 20 Plätze zu erreichen, wäre ein Traum, ist aber fast nicht möglich. Aber dahinter kämpft man ja genauso um die Platzierung. Ich kann zum Beispiel sagen, Platz 21 ist für mich wie ein kleiner Sieg. Jeder kämpft eben in seiner „Kategorie“, sei es vom Auto, vom Budget, vom fahrerischen Können.

netzathleten: Kann es nicht trotzdem auch demotivierend sein, wenn man weiß, dass man auf den Gesamtsieg sowieso keine Chance hat?
Stefanie Manns: Eigentlich nicht. Man fährt ja auch mit, um Erfahrungen zu sammeln. Und wer weiß, vielleicht lernt man ja auch die richtigen Leute kennen, bekommt mehr Aufmerksamkeit, dadurch mehr Sponsoren, dadurch mehr Budget, dadurch ein besseres Auto, ein besseres Team und so weiter und kann sich so selbst nach vorne bringen.

netzathleten: Nun ist Motorsport eher eine Männerdomäne. Inwieweit bekommst du das mit? Wirst du von deinen männlichen Konkurrenten ernst genommen oder eher belächelt?
Stefanie Manns: Also ich fühle mich voll akzeptiert. Ob die Männer allerdings lächeln, wenn sie sich wegdrehen, weiß ich nicht. Und natürlich steht man als Frau ein bisschen mehr im Fokus. Aber ich glaube, so lange man den Männern nicht zu gefährlich wird, helfen sie einem und behandeln einen auch sehr nett.

netzathleten: Woran denkst du, wenn du bei einer Rallye im Auto sitzt?
Stefanie Manns: Während der gezeiteten Tracks ist man so bei der Sache, da bleibt nicht viel Zeit über anderes nachzudenken. Aber das ist das Schöne daran. Man ist fast 20 Tage unterwegs und total weg von allem. Man ist kaum erreichbar, kümmert sich, wenn man das Camp erreicht hat, um sich selbst. Essen, duschen, Zelt aufbauen. Zu Hause und der Alltag sind einfach weit weg. Und so abschalten, kann man eigentlich selten.

netzathleten: Das Rennen ist also für dich in gewisser Weise auch Entspannung, trotz aller Strapazen?
Stefanie Manns: Ja, unter dem Aspekt des Abschaltens vom Alltag mit all seinen Problemen auf jeden Fall. Man lässt einfach total los. Die Dakar ist eine andere Welt.


netzathleten: Ein Problem, das beim Motorsport immer eine Rolle spielt ist die Umweltverschmutzung. Machst du dir darüber Gedanken?
Stefanie Manns: Ja, klar. Sobald man sich ins Auto setzt oder irgendetwas in die Luft bläst oder auch nur die Natur berührt, hat man schließlich dieses Problem. Bei Rallyes ist ja gerade auch das Fahren durch die Natur ein großes Thema. Wenn ich mir aber die Strecke in Südamerika anschaue, dann muss ich sagen: Die Plätze an denen wir waren, sind nach unserem Stopp sauberer als vorher. Eigentlich wird so den Menschen dort eher noch beigebracht ökologisch zu denken und sich um die Umwelt zu kümmern. Ich glaube, daher tuen wir eher etwas Gutes als etwas Schlechtes. Und klar fahren wir durch die Wüste, aber es bleibt trotzdem nichts zurück. Jeder der einen Reifen wechselst, nimmt alle Teile wieder mit.

netzathleten: Dennoch wird die Wüste berührt und die Luft verschmutzt…
Stefanie Manns: Klar, das will auch gar nicht absprechen. Aber ich glaube, es wird dafür auch viel Positives getan. Die ASO (Veranstalter der Rallye Dakar, Anm. d. Red.) unterstützt Umweltprogramme vor Ort und pflanzt Bäume. Es wird also schon auch etwas für die Umwelt getan.
netzathleten: Und wie genau sehen die Orte vor eurem Besuch aus?
Stefanie Manns: Die Gegenden, durch die wir fahren, sind häufig sehr arm. Und die Leute, die dort leben, schmeißen einfach alles, was sie nicht mehr brauchen, auf die Straße. Es gibt Streckenabschnitte, da fährt man durch die schönste Natur, aber es sieht aus wie auf einer Müllhalde. Entlang der Strecke und vor allem dort, wo unsere Biwaks standen, ist es hinterher sehr viel sauberer. Da kann man fast vom Boden essen. Wir haben sogar Mülltrennung auf der Dakar. Insofern ist das eventuell ein wenig die Transferleistung, die wir bieten können. Ich glaube, dass insgesamt also schon viel auf die Umwelt geachtet wird.

netzathleten: Zum Beispiel auch mit Elektroautos, die schon bei der Dakar teilnehmen. Wie stehst du zu einer ganzen Rallye im Elektroauto?
Stefanie Manns: Ich muss ehrlich sagen, ich stehe nicht so auf Hybrid- und Elektromotoren. Ich finde die Idee an sich nicht verkehrt, verfolge aber eher den Gedanken die Benzin- und Dieselmotoren effektiver zu machen. Und da sind die großen Konzerne ja auch schon auf dem Weg.

netzathleten: Aber ist es nicht ein bisschen scheinheilig zu sagen wir tun ja auch etwas für die Umwelt, daher ist das, was mir machen, nicht so schlimm…
Stefanie Manns: Klar. Wenn man sich aber im Vergleich zum Beispiel die Formel 1 anschaut, die um die Welt jettet, Tonnen von Material hin und her fliegt und das zu jedem Saisonrennen. Und wir? Wir fahren einmal mit dem Schiff rüber, machen das Rennen und fahren wieder zurück.

netzathleten: Du meinst also, im Verhältnis zu anderen Motorsportevents ist die Dakar für die Umwelt nicht ganz so dramatisch?
Stefanie Manns: Ich will das nicht klein reden. Wir fahren durch die Wüste und pusten Abgase in die Luft. Aber ich glaube, mit jeder Sportart die in einer gewissen Größe und Weltöffentlichkeit stattfindet, verursacht man Umweltschäden. Seien es die Skifahrer, die um die Welt fliegen, für die Pisten gebaut werden, Fußballer, die von einem Spiel zum nächsten Fliegen. Aber klar, so eine Dakar belastet die Umwelt, was soll man es schönreden.

netzathleten: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei Dakar 2013.

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