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Interview mit Jan Fitschen – Von 0 auf 100 (Laufkilometer)

  • Derk Hoberg
netzathlet Jan Fitschen hat eine zwei Jahre währende Leidenszeit hinter sich. Aufgrund einer Reizung an der Plantarsehne war seine Karriere lange in Gefahr – seit Januar ist er nun zurück auf der Laufbahn. Vergangenes Wochenende krönte er sein Comeback mit dem Deutschen Meistertitel über 10 Km auf der Straße. Wir sprachen mit Jan Fitschen über sein Comeback.

Bei den Leichtathletik Europameisterschaften in der letzten Juli Woche in Barcelona erschien Jan Fitschen wieder auf der Bildfläche des internationalen Spitzensports – freudestrahlend trotz oder gerade wegen seines 12. Platzes über die 10km. Wer will es dem Titelhamster bei Deutschen Meisterschaften und Europameister von 2006 über 10.000 Meter verdenken. Die Freude war nur allzu verständlich nach dem geglückten Comeback nach seiner langen Verletzungspause und den permanenten Schmerzen im Fuß. Wir sprachen nach seinem Deutschen Meistertitel mit Jan Fitschen:

netzathleten: Hallo Jan, zunächst Glückwunsch zum Titel, es läuft ja wieder richtig gut bei Dir.
Jan Fitschen: Ja, super. Klar, ich habe noch nicht die Form wie vor ein paar Jahren. Aber mit dem Comeback und dem ganzen Trubel jetzt war das eine tolle Saison.

netzathleten: Gespannt haben wir Dein erstes großes Rennen bei der EM in Barcelona verfolgt. Wie glücklich bist Du momentan nach Deiner langen Leidenszeit?
Jan Fitschen: Ich bin wirklich sehr glücklich. Dass nach meiner Verletzung alles wieder so toll klappt, hätte ich selbst gar nicht gedacht. Die Qualifikation zur EM, jetzt noch den Deutschen Meistertitel obendrauf, in drei Wochen laufe ich einen Halbmarathon. Eigentlich muss ich sagen: Geil!

netzathleten: Wie hast Du persönlich das EM-Rennen erlebt, wie schwierig war es?
Jan Fitschen: Am schlimmsten war der Mittelteil der 10.000 Meter. Zum Schluss, die letzten beiden Runden, gingen dann wieder, weil das Ende dann absehbar war. Am Anfang hingegen ging es gleich brutal zur Sache, viel Geschubse und Gestolper. Um dem zu entgehen, bin ich dann ein wenig nach vorne gelaufen, um meinen eigenen Schritt gehen zu können. Das hat sich aber gerächt, da ich vorher wenig Tempoarbeit im Training habe machen können – ich dachte irgendwann, gleich überholen mich alle wieder! Taktisch hat sich nichts geändert, nur die Form stimmt noch nicht.


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netzathleten: Hast Du etwas anders gemacht als früher?
Jan Fitschen: Normal habe ich mich ja gerne mal hinter ein paar Läufern versteckt, um dann im Endspurt zuzuschlagen. Das ging wegen den Tumulten im ersten Rennviertel diesmal aber nicht. Vielleicht bin ich mit etwas zu viel Schwung nach vorne gegangen. Gut, hinterher ist man immer klüger.

netzathleten: Während Deiner - wahrscheinlich unendlichen - zwei jährigen Verletzungspause, wie häufig warst Du kurz davor die Brocken hinzuschmeißen?
Jan Fitschen: Ich glaube, das kann ich gar nicht mehr an den Händen abzählen. Das war schon sehr häufig der Fall. Sehr frustrierend alles.

netzathleten: Woher hast Du dann die Kraft genommen, nach den vielen Rückschlägen immer wieder aufzustehen und weiterzukämpfen?
Jan Fitschen: Ich habe versucht, positiv zu denken und habe mir die guten Rennen, die ich gelaufen bin, immer mal wieder angeschaut. Fotoalben von den Trainingslagern in Kenia und Flagstaff habe ich durchstöbert. Das Training mit den Freunden und Kollegen war ja auch immer lustig. Und nicht zuletzt gab es viel Zuspruch von Familie und Freunden, positives Feedback, das mir enorm geholfen hat.

netzathleten: Die guten Momente visualisiert und die Unterstützung der vertrauten Umgebung also. Du warst aber auch noch zu jung zum Aufhören, oder?
Jan Fitschen: Stimmt (lacht). Der Zeitpunkt zum Aufhören war noch nicht gekommen. Ich wollte nicht die Brocken hinwerfen und dann Angst haben, mir später Vorwürfe zu machen, warum ich es nicht doch noch intensiver versucht habe, zurück zu kommen. Wenn ich irgendwann aufhöre, will ich sicher sein, dass es das wirklich war und dass ich alles probiert habe. Dieses Gefühl hatte ich eben nicht. Ich dachte immer, da kann noch was kommen.

netzathleten: Und jetzt hast Du keine Probleme mehr mit der Plantarsehne?

Jan Fitschen: Gar nicht mehr. Wie ein Wunder. Nachdem ich die richtige Behandlungsmethode gefunden hatte, ging es Ruckzuck. Nach zwei Monaten waren dann sämtliche Schmerzen weg, egal wie viel ich trainiert habe. Ich habe mein Training dann quasi innerhalb dieser zwei Monate von null Laufkilometern auf 100 pro Woche hochgeschraubt und konnte mein Glück kaum fassen.

netzathleten: Was wer denn genau die richtige Behandlungsmethode?
Jan Fitschen: Wir haben zunächst sehr viel Stabilisationstraining für das Fußgelenk gemacht. Ich bin mittlerweile ein Artist auf dem Pezzi-Ball, im Verein macht man sich schon über mich lustig, da ich so viele Zirkusübungen mache, anstatt „normal“ zu trainieren. In Kombination mit einem Gerät namens Repuls Tiefenstrahler hat das sehr geholfen. Dieses Gerät strahlt ein kaltes Rotlicht aus, das tief ins Gewebe eindringt und dort die Durchblutung verbessert. Damit haben wir gezielt die Plantarsehne bestrahlt. Aber auch jetzt hilft es mir hin und wieder, wenn ich an anderen Stellen Überlastungserscheinungen habe, weil ich im Training zu weit gegangen bin.

netzathleten: Jetzt hast Du Dein Comeback mit dem Straßentitel über 10.000 Meter gekrönt. Kurz-oder mittelfristig soll es für Dich aber auf die Marathondistanz gehen. Ist die lange Strecke und das Training nicht Gift für Deinen Fuß?
Jan Fitschen: In drei Wochen teste ich in Köln mal einen Halbmarathon an, nächstes Jahr im Frühjahr will ich die komplette Distanz laufen. Aber ich glaube, es ist nicht die Dauer der Belastung, die nicht gut für meinen Fuß war, sondern eher die Belastung durch die Spikes beim Laufen. Die fällt dann weg und dadurch wird mein Fuß entlastet. Ob ich jetzt wie bisher 180 Trainingskilometer pro Woche abspule, oder dann zukünftig 220, macht glaube ich keinen großen Unterschied. Und ich werde sehr viel Alternativtraining in meinen Trainingsplan einbauen. Zwei bis viermal pro Woche will ich Laufumfänge durch Aquajogging, Fahrradfahren und Schwimmen ersetzen. Dadurch mute ich meinem Fuß gar nicht so viel mehr zu. Um die 42 Kilometer im Rennen selbst geht es da gar nicht, nur um die Trainingsumfänge.

netzathleten: Wie musst Du Deine Renneinteilung dann ändern?

Jan Fitschen: Zunächst mal muss man das im Kopf auf die Reihe bekommen, dass es dann natürlich viel längere Rennen sind. Zum anderen geht es natürlich um gute Zeiten. Ich war ja bisher ein typischer Meisterschaftsläufer und bin meist im Feld mitgerollt. Im Endspurt habe ich dann versucht, die Anderen zu schlagen. Im Marathon muss man selbst viel offensiver laufen, um gute Zeiten zu erzielen.

netzathleten: Aber Dein Ziel müssen auch dort Siege sein, nicht nur gute Zeiten?
Jan Fitschen: Eigentlich schon, ja. Aber jetzt geht es erst einmal darum, die Strecke in den Griff zu bekommen und spätestens beim dritten Marathon mal eine richtig gute Zeit hinzulegen.

netzathleten: Dann wünschen wir Dir eine stetig positive Entwicklung bei den Marathons und vor allem, dass Du gesund bleibst!

 

Mehr Infos und Neuigkeiten von Jan gibt es auf seiner Seite: janfitschen.de

 

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