Focus on Performance -- Skeleton-spezifisches Augentraining: Lars Lienhard beim Coaching mit der mehrmaligen Skeleton-Weltmeisterin Marion Thees
Erste Neuroathletik-Konferenz ein Meilenstein im Spitzensport
- Frank Schneller
„Die Geheimnisse der Spitzensportler“ – am Wochenende in München werden einige von ihnen gelüftet. Die Neuro Athletic Conference mit ihren weit über 300 angemeldeten Gästen und vielen Topstars ist die erste ihrer Art und ein starkes Indiz dafür, dass neuronaler Input in der Reha- und Trainingslehre nicht nur eine Zeitgeisterscheinung ist. Sondern ein Meilenstein in der Betrachtung von Bewegungs- und Belastungssteuerung im Spitzensport generell.
Es ist noch nicht lange her, da wurde ihr Handwerk – mancher nennt es auch ‚Kunst’– selbst von jenen diskreditiert, die sich wohlwollend über sie äußern wollten, wenn auch unbeabsichtigt: Spitzensportlerinnen und -sportler, die durch Neuroathletiktraining wieder fit wurden und – beinahe noch wichtiger – fit blieben, wussten kaum, wie ihnen geschah. Und so suchten sie für ihr Lob Anleihen in der Welt der Zauberer, Wunderkerzen und Wünschelruten. „Magier“. „Wunderheiler“. „Fitness-Guru“. So wurde Sportwissenschaftler Lars Lienhard genannt. Neuroathletiktrainer verziehen bei solchen Begriffen das Gesicht. Viel zu fundiert, viel zu praxisnah und viel zu wenig Hokuspokus ist das, was sie tun. Und viel zu nachhaltig. „Dank Neuroathletiktraining blieb ich viereinhalb Jahre verletzungsfrei. Lars Lienhard zu treffen, hat mein Leben als Fußballer verändert“, erklärt Weltmeister Per Mertesacker. Jüngst machte vor allem Deutschlands Sprintstar Gina Lückenkemper Schlagzeilen damit, dass ihre famosen Leistungen auch durch die Neuroathletik-Einheiten mit Lienhard zu erklären seien. Dass sie an einer Batterie lecke, um ihr Nervensystem etwas zu aktivieren, machte Schlagzeilen, war aber natürlich nur als plakative Veranschaulichung gedacht. Freilich steckt viel mehr dahinter.
Wie’s funktioniert? Kann man auch hier auf der Website nachlesen
Inzwischen haben sich viele Topstars kundig gemacht. Sie wollten verstehen, was da in und mit ihnen vor sich ging. Warum sie fitter, effizienter, verletzungsresistenter, schneller, präziser, erfolgreicher wurden – ohne mehr Gewichte aufzulegen, Extra-Schichten zu schieben, kurzum: ohne entscheidend mehr Schweiß im Training zu vergießen als zuvor. Und sie haben sich ‚geoutet’. Ist eine illustre Gesellschaft: Gina Lückenkemper. Per Mertesacker. Serge Gnabry. David Storl. Dominik Klein. Fabian Rießle. Tatjana Hüfner und noch viele weitere Topsportlerinnen und -sportler aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Welt- und Europameister, Weltcup-Sieger, Olympia-Medaillengewinner.
Skeptiker und Kritiker mögen sich an der Guru-Mär seinerzeit insgeheim noch erfreut haben. Schwingt ja auch etwas Unseriöses mit, bei der Bezeichnung. Firlefanz. Wichtigtuerei. So was kann man schnell brandmarken. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass Reha-Spezialisten, Sportärzte, Physiotherapeuten, Fitnesstrainer und Eisenbieger wenig erfreut waren – und es bisweilen auch noch sind –, dass es da plötzlich schlaue Leute gibt, die traditionelle Trainings-Methoden und -prozesse ebenso hinterfragten wie die gängige Belastungssteuerung in den Spitzenklubs, für die sie tätig sind. Und, mehr noch: Die sichtbar erkennbare Alternativen anzubieten hatten. Sofern man sie denn ließ...
Neuroathletinktraining bei der WM 2014
Es liegt ebenfalls in der Natur der Sache, dass man sich in der Sportmedizin- und Fitness-Branche nur ungern Konkurrenz ins bestellte Haus holt. Dass wichtige Spieler der deutschen Weltmeistermannschaft 2014 – darunter der kurz vor der WM noch verletzte Manuel Neuer, der kurzerhand umgeschulte Benedikt Höwedes, Finaltorschütze Mario Götze und eben auch Mertesacker – entscheidende Impulse von Neuroathletikcoach Lienhard holten, der zunächst extra zur Entourage des DFB hinzugezogen worden war, um zu helfen, das schmeckte so manch arriviertem Mitarbeiter des medizinischen und athletischen Stabs dem Vernehmen nach nicht. Die Folge: Bekannt ist Lienhard damals nicht geworden. Sein Anteil am WM-Erfolg blieb im Verborgenen. Trotz namhafter Zeitzeugen und Fürsprecher. Zu stark war die Lobby, die unter sich bleiben wollte.
Heute ist das anders. Neuroathletiktraining ist samt seiner Protagonisten in der Mitte der Leistungssportgesellschaft angekommen. „Das Thema bekommt eine immer größere Akzeptanz“, hat Steffen Tepel, einer der führenden Neuroathletiktrainer, festgestellt. Der Widerstand des vermeintlichen Establishments bröckelt zusehends. Tepel: „Ich denke, dass es vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre, dass ich am FC Bayern Campus junge Fußballer in engem Austausch mit den Athletik- und Rehatrainern neuroathletisch aufbaue.“ Selbst ein kritischer Kopf wie Dr. Andreas Schlumberger, mit allen Fußballwassern gewaschener Sportwissenschaftler und Rehabilitationstrainer (u.a. DFB, Borussia Dortmund, Bayern München, aktuell Borussia Mönchengladbach) ist mittlerweile Befürworter der von Dr. Eric Cobb einst in den USA entwickelten und perfektionierten Anwendung von Neurologie in der Bewegungswissenschaft und Trainingslehre.
Das trainingsmethodische Spektrum werde aus seiner Sicht durch Neuroathletik enorm erweitert und biete eine neue Perspektive. „Diese erlaubt eine bisher nicht da gewesene Differenzierung der Trainingsmethodik, nicht nur für das Entwicklungstraining von Hochleistungsathleten, sondern auch für das rehabilitative Training. Gerade in letzterem, und das zeigen mittlerweile eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten, ist die zielgerichtete Verbesserung der Bewegung, in diesem Falle auch der Grundbewegungsmuster von Athleten und Patienten, mit Hilfe neurozentrierter Strategien ein wichtiger Bestandteil für optimale Trainingseffekte“, so Schlumberger in seinem Vorwort für das Buch ‚Neuroathletiktraining’, das in diesem Sommer erschienen war.
Wie auch Dr. Cobb, der amerikanische Gründungsvater der Neuroathletik, ist Dr. Schlumberger Sprecher auf der Neuro Athletic Conference am Wochenende in München, der ersten ihrer Art. Dass eine solche Konferenz, die rund 300 Teilnehmer mit den führenden Coaches und zahlreichen Spitzensportlern verbringen, mittlerweile möglich und notwendig wurde, ist ein Meilenstein in der noch jungen Geschichte der Neuroathletik. Und gleichzeitig eine logische Folge der zunehmenden Aufmerksamkeit für neue Herangehens- und Sichtweisen auf gängige Prozesse – auch für die neuronalen Hintergründe von Verletzungen bzw. Verletzungsanfälligkeit. Ein Interview mit Lienhard, geführt vom Sport-Informations-Dienst und netzathleten.de hatte vor knapp drei Jahren hohe Wellen geschlagen, weil es in Teilen seinerzeit revolutionär anmutende, aber eben auch überdenkenswerte Erklärungen lieferte. Und mit Alibis aufräumte.
Ist die Neuroathletik am Ziel? Hat sich ein ‚Paradigmenwechsel’, wie ihn ihre Protagonisten fordern, bereits vollständig vollzogen? Keineswegs. „Problematisch ist nach wie vor, dass in vielen Reha-Disziplinen, gerade im Fußball, der Körper am Hals aufhört und Neurologie ausschließlich auf Nerv und Muskel begrenzt wird“, erklärt Tepel, „letztendlich kann die Welt sich aber nicht mehr länger vor den Erkenntnissen der modernen Neurowissenschaft verschließen, denn gerade für die Physiotherapie liefert die Neuroathletik hervorragende Ansätze, um die Möglichkeiten der Akut-Reha und vor allem der Post-Reha auf ein höheres Niveau zu bringen. Da gibt es noch viel Redebedarf, viel Potential zu heben und es gilt weiter Ängste durch konstruktiven Dialog abzubauen.“
Es sind Events wie jene Konferenz am Wochenende in München, die die nötige Plattform dafür bieten.
Alle weiteren Infos zur Konferenz unter: www.neuro-athletic-conference.de
Wie’s funktioniert? Kann man auch hier auf der Website nachlesen
Pionier des Neuroathletiktrainings in Deutschland: Lars Lienhard
Inzwischen haben sich viele Topstars kundig gemacht. Sie wollten verstehen, was da in und mit ihnen vor sich ging. Warum sie fitter, effizienter, verletzungsresistenter, schneller, präziser, erfolgreicher wurden – ohne mehr Gewichte aufzulegen, Extra-Schichten zu schieben, kurzum: ohne entscheidend mehr Schweiß im Training zu vergießen als zuvor. Und sie haben sich ‚geoutet’. Ist eine illustre Gesellschaft: Gina Lückenkemper. Per Mertesacker. Serge Gnabry. David Storl. Dominik Klein. Fabian Rießle. Tatjana Hüfner und noch viele weitere Topsportlerinnen und -sportler aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Welt- und Europameister, Weltcup-Sieger, Olympia-Medaillengewinner.
Skeptiker und Kritiker mögen sich an der Guru-Mär seinerzeit insgeheim noch erfreut haben. Schwingt ja auch etwas Unseriöses mit, bei der Bezeichnung. Firlefanz. Wichtigtuerei. So was kann man schnell brandmarken. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass Reha-Spezialisten, Sportärzte, Physiotherapeuten, Fitnesstrainer und Eisenbieger wenig erfreut waren – und es bisweilen auch noch sind –, dass es da plötzlich schlaue Leute gibt, die traditionelle Trainings-Methoden und -prozesse ebenso hinterfragten wie die gängige Belastungssteuerung in den Spitzenklubs, für die sie tätig sind. Und, mehr noch: Die sichtbar erkennbare Alternativen anzubieten hatten. Sofern man sie denn ließ...
Neuroathletinktraining bei der WM 2014
Es liegt ebenfalls in der Natur der Sache, dass man sich in der Sportmedizin- und Fitness-Branche nur ungern Konkurrenz ins bestellte Haus holt. Dass wichtige Spieler der deutschen Weltmeistermannschaft 2014 – darunter der kurz vor der WM noch verletzte Manuel Neuer, der kurzerhand umgeschulte Benedikt Höwedes, Finaltorschütze Mario Götze und eben auch Mertesacker – entscheidende Impulse von Neuroathletikcoach Lienhard holten, der zunächst extra zur Entourage des DFB hinzugezogen worden war, um zu helfen, das schmeckte so manch arriviertem Mitarbeiter des medizinischen und athletischen Stabs dem Vernehmen nach nicht. Die Folge: Bekannt ist Lienhard damals nicht geworden. Sein Anteil am WM-Erfolg blieb im Verborgenen. Trotz namhafter Zeitzeugen und Fürsprecher. Zu stark war die Lobby, die unter sich bleiben wollte.Per Mertesacker profitierte nachhaltig von der Neuroathletik-Trainingsmethode, nicht nur bei der WM 2014 (©gettyimages)
Heute ist das anders. Neuroathletiktraining ist samt seiner Protagonisten in der Mitte der Leistungssportgesellschaft angekommen. „Das Thema bekommt eine immer größere Akzeptanz“, hat Steffen Tepel, einer der führenden Neuroathletiktrainer, festgestellt. Der Widerstand des vermeintlichen Establishments bröckelt zusehends. Tepel: „Ich denke, dass es vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre, dass ich am FC Bayern Campus junge Fußballer in engem Austausch mit den Athletik- und Rehatrainern neuroathletisch aufbaue.“ Selbst ein kritischer Kopf wie Dr. Andreas Schlumberger, mit allen Fußballwassern gewaschener Sportwissenschaftler und Rehabilitationstrainer (u.a. DFB, Borussia Dortmund, Bayern München, aktuell Borussia Mönchengladbach) ist mittlerweile Befürworter der von Dr. Eric Cobb einst in den USA entwickelten und perfektionierten Anwendung von Neurologie in der Bewegungswissenschaft und Trainingslehre.
Das trainingsmethodische Spektrum werde aus seiner Sicht durch Neuroathletik enorm erweitert und biete eine neue Perspektive. „Diese erlaubt eine bisher nicht da gewesene Differenzierung der Trainingsmethodik, nicht nur für das Entwicklungstraining von Hochleistungsathleten, sondern auch für das rehabilitative Training. Gerade in letzterem, und das zeigen mittlerweile eine Reihe wissenschaftlicher Arbeiten, ist die zielgerichtete Verbesserung der Bewegung, in diesem Falle auch der Grundbewegungsmuster von Athleten und Patienten, mit Hilfe neurozentrierter Strategien ein wichtiger Bestandteil für optimale Trainingseffekte“, so Schlumberger in seinem Vorwort für das Buch ‚Neuroathletiktraining’, das in diesem Sommer erschienen war.
Neuroathletiktrainer Steffen Tepel
Wie auch Dr. Cobb, der amerikanische Gründungsvater der Neuroathletik, ist Dr. Schlumberger Sprecher auf der Neuro Athletic Conference am Wochenende in München, der ersten ihrer Art. Dass eine solche Konferenz, die rund 300 Teilnehmer mit den führenden Coaches und zahlreichen Spitzensportlern verbringen, mittlerweile möglich und notwendig wurde, ist ein Meilenstein in der noch jungen Geschichte der Neuroathletik. Und gleichzeitig eine logische Folge der zunehmenden Aufmerksamkeit für neue Herangehens- und Sichtweisen auf gängige Prozesse – auch für die neuronalen Hintergründe von Verletzungen bzw. Verletzungsanfälligkeit. Ein Interview mit Lienhard, geführt vom Sport-Informations-Dienst und netzathleten.de hatte vor knapp drei Jahren hohe Wellen geschlagen, weil es in Teilen seinerzeit revolutionär anmutende, aber eben auch überdenkenswerte Erklärungen lieferte. Und mit Alibis aufräumte.
Ist die Neuroathletik am Ziel? Hat sich ein ‚Paradigmenwechsel’, wie ihn ihre Protagonisten fordern, bereits vollständig vollzogen? Keineswegs. „Problematisch ist nach wie vor, dass in vielen Reha-Disziplinen, gerade im Fußball, der Körper am Hals aufhört und Neurologie ausschließlich auf Nerv und Muskel begrenzt wird“, erklärt Tepel, „letztendlich kann die Welt sich aber nicht mehr länger vor den Erkenntnissen der modernen Neurowissenschaft verschließen, denn gerade für die Physiotherapie liefert die Neuroathletik hervorragende Ansätze, um die Möglichkeiten der Akut-Reha und vor allem der Post-Reha auf ein höheres Niveau zu bringen. Da gibt es noch viel Redebedarf, viel Potential zu heben und es gilt weiter Ängste durch konstruktiven Dialog abzubauen.“
Es sind Events wie jene Konferenz am Wochenende in München, die die nötige Plattform dafür bieten.
Alle weiteren Infos zur Konferenz unter: www.neuro-athletic-conference.de