Interview mit Sean Dundee - Unser Kolumnist für die WM in Südafrika
- Derk Hoberg
Sean Dundee ist den meisten Fußball-Fans ein Begriff. Der ehemalige Stürmer ging in seiner aktiven Zeit unter anderem für den Karlsruher SC und den VfB Stuttgart auf Torejagd. Inzwischen lebt er in seiner Geburtsstadt Durban (Südafrika), also in der Stadt in der die DFB-Elf ihr erstes Spiel gegen Australien austragen wird. Dundee hat seit 1997 die Deutsche Staatsbürgerschaft. Damals wurde er im Eilverfahren eingebürgert und sogar in die DFB-Auswahl berufen, in der er allerdings nicht zum Einsatz kam.
Im Interview erfahrt ihr mehr über das aktuelle Leben des „Torkrokodils“ – wie ihn die Boulevardpresse einst taufte – und wie er die Chancen von Südafrika bei der WM sieht.
netzathleten: Hallo Sean, schön dass Du für uns zur WM eine Kolumne schreibst. Deine Bundesliga-Zeit liegt ja inzwischen doch schon ein wenig zurück. Was machst Du denn zur Zeit?
Sean Dundee: Seit etwa einem halben Jahr arbeite ich für das Südafrikanische Fernsehen als Experte. Ich hab Glück gehabt, diesen Job bekommen zu haben und es macht mir viel Spaß. Ich bin vor allem für die Bundesliga zuständig, schließlich habe ich jahrelang in Deutschland gespielt.
netzathleten: Und was hast Du so in der Zukunft geplant? Wirst Du irgendwann auch mal wieder nach Deutschland kommen?
Sean Dundee: Ja, allerdings. Ich plane, nächstes Jahr zurück zu kommen. Deutschland ist für mich mein Zuhause. Ich würde auch gerne in Deutschland meinen Trainerschein machen oder bei einem meiner alten Vereine einen Job übernehmen. Aber das sind im Moment alles neue Überlegungen, und man muss sehen, was sich ergibt. Ich muss natürlich vorher auch schauen, wie es hier weiter geht. Der Sender, für den ich arbeite, hat sich die Bundesligarechte für nächste Saison gesichert. Sie halten die Bundesliga für besser als die Italienische Liga. Dieser Job ist auch eine große Chance für mich, Erfahrungen beim Fernsehen zu sammeln. Auch auf meine Familie muss ich Rücksicht nehmen. Solche Entscheidungen müssen gemeinsam getroffen werden. Und meinem Sohn gefällt die Kälte in Deutschland nicht… Aber ich will unbedingt zurück.
netzathleten: Ist es auch ein Ziel, in Deutschland als Trainer zu arbeiten?
Sean Dundee: Ja, irgendwann schon. Weißt du es ist so, dass ich schon Verschiedenes ausprobiert habe. Ich habe hier mit einem Spielerberater zusammengearbeitet und wollte selbst Spieler übernehmen. Aber ich habe gemerkt, dass das nichts für mich ist. Ich will kein Berater werden. Ich bin zu ehrlich für dieses Geschäft. Obwohl ich trotzdem sehr gerne helfen würde, Jungs rüberzuschicken nach Europa. Aber das ist sehr schwierig. Und zurzeit macht mir mein Job beim Fernsehen auch sehr viel Spaß. Hier in Südafrika einen Trainerschein zu machen, nutzt einem nicht viel. Ich könnte wahrscheinlich hier irgendwo Co-Trainer werden. Der Fußball ist hier zudem noch nicht da, wo er sein sollte. Südafrika hängt noch ziemlich hinterher.
netzathleten: Kommen wir doch mal zur WM. Wo siehst Du die südafrikanische Mannschaft?
Sean Dundee: Bis vor ein paar Monaten hatte ich eigentlich ein ganz gutes Gefühl. Aber inzwischen glaube ich, dass es keine wirklich gute WM für Südafrika wird. Das größte Problem ist, dass Südafrika keine Stürmer hat. Wenn man dann noch die Gruppengegner Mexiko, Uruguay und Frankreich sieht, wird das zu schwer für sie. Die wichtigsten Spieler im Team sind sicherlich Steven Pienaar vom FC Everton und Benny McCarthy von West Ham United. Auf die hoffen hier alle. Aber leider kommt McCarthy bei seinem Verein nicht so zum Zuge und daher weiß keiner, in welcher Verfassung er ist.
Man sollte die Hoffnung jedoch nicht aufgeben. Südafrika spielt zuerst gegen Mexiko und mit den Zuschauern im Rücken, weiß man nicht was passiert. Die Stimmung im ganzen Land steigt seit ein paar Monaten. Die Leute fiebern der WM entgegen, und man merkt, dass nur noch Fußball zählt. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich sagen kann: Man sieht, dass alle zusammen halten. Ich hoffe, Südafrika gewinnt gegen Mexiko. Das wäre sicherlich das Schönste für die Fans.
netzathleten: Meinst Du, Südafrika kann es schaffen, die Vorrunde zu überstehen? Wenn man sieht, wie sich andere Gastgeber geschlagen haben. Denke nur mal an Südkorea 2002, die sogar bis ins Halbfinale gekommen sind…
Sean Dundee: Ja klar…ich denke es hängt wirklich alles vom ersten Spiel ab. Wenn Südafrika das irgendwie gewinnen kann, dann sind vielleicht Chancen da. Dann muss man gucken, was man erreichen kann.
netzathleten: Du hast lange in Deutschland gespielt und warst auch für die Deutsche Nationalmannschaft nominiert. Aber Du bist auch Südafrikaner. Für wen wird Dein Herz während der WM schlagen? Südafrika oder Deutschland?
Sean Dundee: Eigentlich für Deutschland. Aber ich muss immer aufpassen, was ich sage. Denn die Leute hier sind sehr kritisch und kennen mich vor allem als Südafrikaner, der in der Bundesliga gespielt hat, aber nicht für Südafrika. Eigentlich habe ich das große Glück, dass ich zwei Mannschaften anfeuern darf.
netzathleten: Wo wir schon bei der deutschen Nationalmannschaft sind. Seit Montag ist klar, dass Michael Ballack ausfallen wird. Wie schlimm ist dieser Ausfall für das deutsche Team?
Sean Dundee: Schon als ich das Foul an Ballack gesehen habe, habe ich gedacht, dass es etwas Schlimmes ist, etwas, das lange dauern wird. Dass Ballack jetzt für die WM ausfällt, ist natürlich sehr schlecht für die Deutsche Mannschaft. Er ist ein sehr wichtiger Spieler, der das Mittelfeld geordnet hat. Aber es ist auch kein Weltuntergang. Jetzt müssen eben andere Spieler seinen Teil übernehmen und mehr ins Rampenlicht rücken. Ich sehe hier vor allem Schweinsteiger, der zwar auch noch jung ist (25 Jahre, Anm. d. Redaktion), aber trotzdem schon zu den erfahrensten Spielern der DFB-Elf gehört.
netzathleten: Schweinsteiger, den Du gerade angesprochen hast, ist einer von sieben Spielern von Bayern München, die bei der WM für Deutschland antreten. Vorher müssen sie aber noch am 21. Mai 2010 das Champions League Finale gegen Inter Mailand bestreiten. Wie siehst Du die Chancen der Bayern?
Sean Dundee: Ich denke, die Bayern haben gute Chancen, auch wenn es sehr schwer wird. Es war gut, dass sie die Meisterschaft schon vorzeitig klargemacht hatten und sich dann voll und ganz auf die beiden Pokalendspiele konzentrieren konnten beziehungsweise können. Auf Inter im Finale zu treffen, ist besser als auf Barcelona. Schon bei der Halbfinal-Auslosung habe ich gesagt, dass Inter die einzige Mannschaft sein wird, die Barcelona in zwei Spielen schlagen kann. Dass Barcelona jetzt nicht im Finale steht, ist optimal für Bayern. Inter ist nicht so stark in der Offensive wie Barca, das kommt den Bayern entgegen. Ich denke vor allem auch, dass Bayerns Mittelfeld stärker ist, als das der Italiener. Gerade jetzt, wo Ribery leider nicht spielen wird, ist es vor allem Robben, auf den es ankommen wird. Was er diese Saison leistet ist unglaublich.
Sean, vielen Dank für dieses kleine Interview und die ersten Einschätzungen. Wir freuen uns auf Deine kommenden Kolumnen und sind gespannt was Du uns aus Südafrika berichtest.
Sean Dundee: Gerne.