Capoeira - eine Kurzvorstellung Grupo Capoeira Brasil Deutschland

Capoeira - eine Kurzvorstellung

  • Nils Borgstedt
Heiße brasilianische Rhythmen und Gesang ertönen, Menschen stehen im Kreis zusammen und klatschen zur Musik. Immer wieder begeben sich zwei von ihnen in die Mitte und vollführen Saltos, Handstandüberschläge und andere akrobatische Übungen. Wovon hier die Rede ist wollt Ihr wissen? Man nennt es Capoeira, eine Kampfsportart brasilianischen Ursprungs.

Wenn man von Capoeira hört oder liest, stößt man immer wieder auf die Beschreibung Kampf-Tanz, doch das ist falsch. „Capoeira ist eine Kampfsportart bei der es darum geht, seinen Gegner mit festgelegten Wurftechniken und (Fast-)Treffern zu überbieten“, erklärt Professor Cigano Michael Vas, Begründer und Leiter der Gruppo Capoeira Brasil-Deutschland.

Geschichte von Capoeira


„Capoeira wird seit ungefähr 300-400 Jahren praktiziert; in Europa allerdings erst seit etwa 15 Jahren“, sagt Vas. Anders als die meisten anderen Kampfsportarten, wie Karate oder Taek-Won-Do, hat Capoeira seinen Ursprung nicht in asiatischen Klöstern, sondern hat sich unter den afrikanischen Sklaven in Brasilen entwickelt.

Über die genaue Entstehung von Capoeira gibt es nur Legenden. Die für Vas plausibelste hat ihren Ursprung in den Verhältnissen der Sklavenlager. „Zunächst wurden die Sklaven wie Tiere gehalten, nicht getauft und durften ihre Kultur nicht leben. Sie waren Humankapital“, erklärt er. „Die Durchschnittliche Lebenszeit für einen Sklaven im Lager lag damals bei einem Jahr. Mit der Zeit wurden die Lagerbedingungen verbessert. Die Sklaven durften Familien gründen, kleine Gärten bewirtschaften und – das Wichtigste – religiöse Riten ausüben.“ Da es den Sklaven verboten war irgendeine Form der Selbstverteidigung zu trainieren, begannen sie Wurf- und Fußtechniken in ihre rituellen Bewegungsmuster einzubauen.

Die Rituale wurden meist von Musik begleitet. Die Musik gab vor, wie man sich zu verhalten hatte. Dies wurde mit Einführung der Kampftechniken verstärkt. Bestimmte Musik signalisierte, dass man beobachtet wurde und man sich unauffällig verhalten musste, andere gab grünes Licht für Kampfübungen. „Die Übergänge waren oft fließend und das hat sich bis heute in der Capoeira gehalten. Auch heute bestimmt die Musik die Verhaltensweise der Capoeiristas, beispielsweise wer kämpfen darf oder ob Treffer erlaubt sind oder nicht“, erzählt Vas. Capoeira und Musik sind also untrennbar miteinander verbunden.

Hinfallen und wieder aufstehen – das Wesen der Capoeira


Capoeira ist mehr als eine bloße Kampfsportart, sie ist Lebensphilosophie. Das Wesen von Capoeira beschreibt Vas als „hinfallen und wieder aufstehen.“ Diese positive Einstellung ist für ihn Voraussetzung zum Erlernen der Capoeira, „denn wer sie nicht hat, der wird nach einem Jahr wieder aufhören.“ Diese Einstellung wird auf das gesamte Leben übertragen. Eine positive Lebenseinstellung und Lebensfreude sind zentrale Elemente im Leben eines Capoeiristas.

Bezüglich der Kampftechnik zielt Capoeira darauf ab, die Unterschiede von Links und Rechts abzubauen, d.h. der Capoeirista soll aus jeder Position wirkungsvolle Schläge und/oder Würfe platzieren können. Als Verteidigungsstrategie wird vor allem das Auspendeln der Schläge trainiert. Durch ständige Körperbewegung versucht man den Schlägen des Gegners auszuweichen. Dazu ist eine schnelle Auffassungsgabe, Intuition und Reaktionsschnelligkeit von Nöten. „Man kämpft mit Arm, Bein und Kopf“ bringt Vas die entscheidenden Aspekte auf den Punkt.

Zentrales Element der Capoeira – der Grundschritt Ginga


Die Ginga ist hauptsächlich eine Drehbewegung. Sie dient dazu, den Körper ständig in Bewegung zu halten und auf ihr bauen alle weiteren Schritte auf.
Der Capoerista beginnt mit einem Ausfallschritt und leicht gebeugten Beinen, die Zehenspitzen zeigen nach vorne. Das hintere Bein (z.B. das rechte) wird anschließend in einer schwungvollen, aber kontrollierten Kreisbewegung in Parallelstellung zum anderen Bein gebracht. Das zunächst vordere Bein (hier das linke) wird dann sofort nach hinten geführt. Ebenfalls mit einer schwungvollen Kreisbewegung. Anschließend wiederholt sich dieser Schritt. Das linke Bein schwingt wieder nach vorne, das rechte zurück. Beim Ausführen der Ginga werden die angewinkelten Arme abwechselnd schützend vor das Gesicht gehalten. Ist das linke Bein hinten, befindet sich der linke Arm vor dem Gesicht, beim rechten Bein der rechte Arm.

Capoeira – eine Sportart, zwei Stile


Im Laufe der Zeit haben sich zwei Stile von Capoeira herausgebildet. Beim Ersten, der so genannten „Capoeira Angola“, stehen die Tradition und eine Besinnung auf die afrikanischen Wurzeln im Zentrum. Es werden langsamere, ruhigere Bewegungen ausgeführt und dem Rhythmus der Musik eine hohe Bedeutung beigemessen. Der zweite Stil, die „Capoeira regional“, legt das Augenmerk hauptsächlich auf Akrobatik und ist eine modernere Spielart der Capoeira. Hier werden meist spektakuläre Bewegungen mit Händen und Füßen ausgeführt. Eine dritte Spielart ist die Capoeira Contemporana, die beide Stile verbindet und lehrt. Der oben beschriebene Grundschritt Ginga ist allen Stilen gemein.

Capoeira erfreut sich inzwischen internationalen Interesses. Immer häufiger werden internationale Wettkämpfe veranstaltet. „Sogar in vielen asiatischen Ländern wie China wird inzwischen Capoeira gespielt“ sagt Vas, der die Weltoffenheit der Capoeiristas betont.

Nils Borgstedt

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