Warum ich mich nicht über Olympia freue Getty Images
Rio 2016

Warum ich mich nicht über Olympia freue

Die Olympischen Spiele sind voll im Gange. Wie alle Sportbegeisterten schaut auch netzathleten-Redakteurin Franziska Tietjen auf Rio. Dieses Jahr sieht sie Olympia jedoch mit anderen Augen.
Ich habe die Olympischen Sommerspiele immer geliebt. Bis 2012 vor allem aus nostalgischen Gründen. Weil die Spiele ein Stück Kindheit waren. Noch heute sehe ich vor mir, wie mein sportenthusiastischer Vater und ich während Olympia gemeinsam vor dem Fernseher sitzen und den deutschen Schwimmern die Daumen drücken. Einer Franziska van Almsick zum Beispiel, die 1996 in Atlanta Silber holte. Es war die Zeit, in der sich meine Begeisterung für große Sport-Veranstaltungen entwickelte. Doch das war einmal.

Emotionen rund um Rio 2016

2016 ist alles anders. Es fehlt(e) etwas – die Vorfreude, die Euphorie und: das Verständnis. Verständnis für all die Dinge, die im Vorfeld passiert sind. Um konkreter zu werden: Dass das IOC es beispielsweise versäumt hat, ein Zeichen gegen Doping zu setzen, war nur eines von mehreren Ereignissen, die Rio 2016 für mich entzaubert haben. Rio, eine problembeladene Stadt an sich, in der Einheimische in den Favelas sitzen, während die Stadt Milliarden Euro in Olympia investiert – von Korruption ganz zu schweigen. Eine Stadt, in der ungeklärte Abwässer und im Wasser treibender Müll Mensch und Umwelt belasten und die Welt, einschließlich mir, nur darauf aufmerksam wird, weil ausgerechnet hier die Olympischen Spiele ausgetragen werden. Abschließend zu erwähnen die bereits vergessene Zika-Panik und die erschreckende Bilanz der Olympiabaustellen: Seit Beginn der Bauarbeiten 2013 verloren elf Menschen ihr Leben. Mit meiner ausbleibenden Vorfreude und fehlenden Euphorie während der Spiele bin ich wohl keine Ausnahme.

Früher ist nicht heute

Ich merke, ich bin älter geworden – dadurch vielleicht auch ein Stück weit kritischer, aufmerksamer und nachdenklicher. Und jetzt? Soll ich die Olympischen Spiele 2016 boykottieren? Nach all meinen Gedanken wäre das nur konsequent. In mir siegt jedoch die Inkonsequenz. Oder: die Begeisterung für den Sport an sich, um es für mich selbst positiver auszudrücken. Vielleicht auch, um es für mich zu legitimieren. Ja, ich schaue mir die Spiele nach wie vor an. Wenn auch weniger und mit anderen Augen. Was bleibt, ist die Hoffnung. Nämlich, dass 2020 wieder der Sport, und nur der Sport, im Vordergrund stehen kann.

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