EM 2016 - Ein Zwischenfazit und Ausblick auf die KO-Runde
Hooligans
Für unschöne, geradezu hässliche Szenen in und außerhalb der EM-Stadien haben vor allem englische, russische und kroatische Hooligans gesorgt. Auch einige deutsche Anhänger hatten sich und ihre Fäuste nicht im Griff. Wüste Schlägereien mit Schwerverletzen, eine scheinbar überforderte Polizei, Tränengas und Leuchtraketen auf dem Spielfeld gehören schon jetzt zu jedem EM-Rückblick. Bedauerlich.
Anstoß
Die wohl komischste Neuerung, die bei dieser EM zum Einsatz kommt, ist der Anstoß. Wo sich sonst immer zwei Spieler im Mittelkreis am Anstoßpunkt trafen, um das Spiel zu beginnen, steht inzwischen nur noch einer, völlig vereinsamt und wartet auf den Anpfiff des Schiedsrichters. Für den Fußballfan ist das ein seltsamer Anblick, musste doch seit Jahr und Tag der Ball beim Anstoß nach vorne gespielt werden, folglich zwei Spieler im Anstoßkreis stehen. Damit ist seit dieser EM Schluss. Der einsame Kicker wird das Bild der Zukunft sein. Ob das auch sinnvoll ist, darf getrost bezweifelt werden. Fakt ist aber: Bei dieser EM haben Özil und Co erstmals einen Anstoß alleine ausgeführt.
DFB-Elf
Die deutsche Mannschaft hat in den ersten drei Partien eine Entwicklung durchgemacht. Im ersten Spiel gegen die Ukraine wackelten Jogis Jungs vor allem hinten. Auch vorne war nicht alles gut, aber ein Standard und ein blitzsauberer Konter in der letzten Minute sorgten für einen 2:0-Sieg. Im zweiten Spiel gegen Polen stand die Mannschaft hinten sicher, ließ aber nach vorne jegliche Spielfreude vermissen. Im dritten Spiel gegen Nordirland folgte die überzeugendste Leistung. Hinten stabil – wenn auch wenig geprüft –, vorne kreativ und chancenreich. Allein die Chancenauswertung muss man kritisieren. Insgesamt folgt die Nationalmannschaft dem Trend der letzten Turniere – die EM 2012 ausgenommen: Etwas schleppend geht es durch die Gruppenphase. In der KO-Phase muss nun eine deutliche Steigerung her. Hier warten Mannschaften wie Spanien, Italien oder Frankreich auf die DFB-Elf.
Turnierbaum
Die Aufblähung des Turniers wurde bereits vor dem ersten Match heiß diskutiert und auch während des Turniers wurde eines deutlich: Zu viele Mannschaften, zu einfache Qualifikation für das Achtelfinale. Schon drei Punkte konnten genug sein, um die Runde der letzten 16 zu erreichen, Nordirland beispielsweise hat auf diese Weise den Sprung in die KO-Phase geschafft, ebenso Portugal.
Die Ansetzung der Partien und Gruppen hat nun dazu geführt, dass sich das Turnier ziemlich deutlich in zwei Teile teilt: In einem Teilbaum tummeln sich beinahe alle Favoriten, im anderen vermeintliche Underdogs. Von Deutschland, Spanien, Italien, Frankreich und England kann nur eine Mannschaft das Finale erreichen. Um den zweiten Platz im Endspiel von Paris kämpfen unter anderem Belgien, Kroatien, Schweiz, Polen, Nordirland und Wales. Ein Finaleinzug eines „Kleinen“ erscheint durchaus realistisch. Die besten Karten dürften dabei wohl Belgien und Kroatien haben, die in einem möglichen Halbfinale aufeinander treffen würden.
Für Deutschland sähe der Weg zum Titel wie folgt aus: Achtelfinale gegen die Slowakei, Viertelfinale gegen den Sieger der Partie Spanien – Italien, im Halbfinale könnten England oder Gastgeber Frankreich warten. Und im Finale dann der vermeintlich leichteste Gegner der KO-Runde. Verrückt.
Überraschungen
Schon die Qualifikation hat einige Überraschungen hervorgebracht und beim Turnier selbst geht das nun so weiter. Ohne Holland findet die diesjährige EM statt, obwohl erstmals 24 Mannschaften teilnehmen. Mit dabei sind dafür einige Nationen, die fußballerisch nicht zur ersten Garde gehören und dennoch beim Turnier selbst für Aufsehen sorgen. Nordirland zum Beispiel. Hart im Zweikampf, verteidigen was das Zeug hält, vorne auf Standards setzen – dabei stets fair bleiben und damit Erfolg haben. Dass es in einer Gruppe mit Deutschland und Polen trotzdem für das Achtelfinale reicht, war vor dem Turnier sicherlich nicht zu erwarten. Doch der Marsch der Green and White Army geht weiter. Auch für die Stimmung auf den Rängen ist das erfreulich. Durch unermüdliche Anfeuerung und Liedgut mit Geschichte dahinter (Stichwort: Will Griggs) machen die Fans der Nordiren auf sich aufmerksam.
Und auch die zweite große Überraschung kommt von der britischen Insel: Wales. Dass die Drachen die Gruppe mit England und Russland als Gruppensieger abgeschlossen haben, sorgte für verwunderte Blicke, aber zwei Siege haben gereicht.
Für eine dritte, etwas kleinere Überraschung, sorgten die Kroaten. Sie gewannen am letzten Spieltag ihrer Gruppe D gegen Top-Favorit Spanien und verdrängten die Iberer so auf den zweiten Rang. Da sie nun im vermeintlich leichteren Turnierbaum sind, stehen ihre Chancen nicht schlecht, weit zu kommen. Schön, dass die Mannschaft um Ivan Rakitic und Luca Modric für positive Schlagzeilen rund um das kroatische Team sorgt. Die Fans haben das ja nicht hinbekommen.