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Die Handball – EM: Ein Zeugnis
- Nils Borgstedt
TOP
Dänemark: Note 1
Danish Dynamite hat es mal wieder geschafft und feiert den Titel, der zwischendurch kaum noch mit dem Fernglas zu sehen war. Für unsere Nachbarn war das Turnier eine einzige Achterbahnfahrt: In der Vorrunde gingen die Spiele gegen Serbien und Polen in die Hose, so dass die Dänen mit vier Punkten Rückstand auf Deutschland und Serbien das Halbfinale abschreiben konnten – eigentlich! Aber sie steigerten sich und gewannen danach alle Spiele – manchmal knapp, aber immer verdient – und damit auch den Titel. Ein bisschen Glück hier und da und die perfekten Ergebnisse der Gruppenkonkurrenten machten es am Ende möglich. Wer den Gastgeber im Endspiel in die Schranken weisen kann, dem gebührt auch der Pokal. Glückwunsch, Dänemark!
Serbien: Note 1-
Im Handball spielt der Heimvorteil schon seit jeher eine große Rolle (siehe Deutschland 2007). Serbien gehört eigentlich nicht zu den besten Handballnationen in Europa, konnte im eigenen Land aber über sich hinaus wachsen. Angefeuert von fast 20.000 frenetischen Fans qualifizierten sich die Serben souverän für das Finale und schlugen dabei auch den verhassten Nachbarn Kroatien. In der Olympia-Qualifikation ist ebenfalls noch alles drin. Das verlorene Finale ist dabei schon fast ein Schönheitsfehler.
Kirill Lazarov: Note 1
Die Handball-Bundesliga ist die stärkste Liga der Welt – aber es gibt auch Superstars außerhalb unserer Grenzen. Kiril Lazarow zum Beispiel. Der Mazedonier verdient seine Brötchen bei Athletico Madrid in Spanien und zeigte den anderen Torjägern, wo der Bartel den Most holt: Unglaubliche 61 Mal schepperte es nach seinen Würfen im Gehäuse der hilflosen gegnerischen Keeper – ein neuer Rekord, und das bei nur sieben Spielen. Damit warf er Mazedonien auf Platz Fünf und in die Olympia-Qualifikation. Den Rekord bei einer Weltmeisterschaft hält der Rückraum-Bomber auch: Sagenhafte 92 Treffer markierte er 2009. Das wäre einer für die Bundesliga…
FLOP
Deutschland: Note 5
Ein zugegebenermaßen hartes Urteil für die Mannen von Bundestrainer Heuberger, denn bis auf die Auftaktschlappe gegen Tschechien war kein richtig schlechtes Spiel mehr dabei – phasenweise sah das sogar richtig gut aus. Trotzdem: Nachdem in der Vorrunde alle Gegner für die DHB-Auswahl spielten, muss in der Hauptrunde einfach mehr herausspringen als ein Punkt aus drei Spielen. Unkonzentriert im Passspiel und im Defensivverhalten, dazu zu viele Zeitstrafen und einfach nicht abgeklärt genug: So wird man nicht (nach Olympia) versetzt. Das Mindestziel wurde verpasst, also Note „mangelhaft“.
Pascal Hens: Note 6
Er hat viel für den deutschen Handball getan, aber bei dieser EM war für „Pommes“ von Anfang an der Wurm drin. Er fand sich die meiste Zeit auf der Bank wieder, und wenn er dann mal ran durfte, wusste man auch, warum: Kaum Torgefahr, schlechte Abspiele, technische Fehler – für Hens eine EM zum Vergessen. Nach dem Turnier zog der Kapitän der Nationalmannschaft die Konsequenzen und trat aus dieser zurück. Mit 32 Jahren will er sich jetzt auf den Vereinshandball konzentrieren. Für ihn wohl die richtige Entscheidung, für den deutschen Handball der Verlust einer weiteren großen Spielerpersönlichkeit aus der Weltmeistermannschaft von 2007.
Fans und Offizielle: Note 5-
Sportliche Fairness stand bei den heißblütigen Zuschauern auf dem Balkan nicht immer im Vordergrund, gellende Pfeifkonzerte für die Gegner der heimischen Elf dagegen schon. Dabei blieb es aber nicht: Ein serbischer „Fan“ traf im Spiel gegen Kroatien den eigenen Spieler Zarko Sesum mit einer Flasche kam Kopf, so dass dieser nicht im Finale dabei sein konnte. Schon davor verprügelten serbische Hooligans kroatische Fans nach dem Spiel Kroatien-Frankreich. Fair-Play: Fehlanzeige.
Nicht unbedingt besser stellten sich die Schiedsrichter des Turniers an. In der Vergangenheit schon durch Skandale und zweifelhafte Entscheidungen gebeutelt, konnte das Image der Offiziellen nicht wirklich verbessert werden – man denke nur an das Spiel Deutschland – Polen. Die hirnrissigen Ansetzungen taten ihr Übriges: Da pfiffen slowenische Schiris schon mal Spiele mit direkten Konkurrenten Sloweniens. Der Grund für das Desaster: Irgendwo zwischen mangelnder Ausbildung, ignoranten Organisatoren und schwammigen Regeln, die eine individuelle „Auslegung“ möglich machen.
Frankreich: Note 6
Adieu, les Bleus! Der Titelverteidiger hatte sich in der Vergangenheit als nahezu übermächtig erwiesen und war wieder einmal als Favorit angereist. Aber vielleicht ist die Zeit der Equipe Tricolore vorbei: Dritter in der Vorrunde, Letzter in der Hauptrunde – so desolat hat man das Team um Superstar Karabatic schon viele Jahre nicht mehr gesehen. Immerhin waren sie für Olympia bereits qualifiziert. In ein paar Monaten bekommen sie also die Chance auf Wiedergutmachung.
In der Endabrechnung landete Deutschland übrigens vor Frankreich. Wer hätte das vor Turnierbeginn gedacht?