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WM-Kolumne von Marina Hegering (Teil 4)
- Redaktion
Die „alte“ deutsche Mannschaft war das zwar noch nicht, die wir gegen Frankreich gesehen haben, aber es war auf jeden Fall eine deutliche Steigerung, vor allem gegenüber dem Spiel gegen Nigeria. Das Zusammenspiel hat viel besser funktioniert als zuvor, die Mannschaft hat die Zweikämpfe noch mehr angenommen und man hat tolle Kombinationen in schönen Spielzügen gesehen, was die Zuschauer noch mehr begeistert hat und des Öfteren ein richtiges Raunen durchs Stadion ging. Das war richtig schön mitanzusehen.
Ich denke, dass es vor allem der Psyche gut getan hat, dass man mal wieder ein paar Tore geschossen hat. Die Mannschaft musste zwar auch zwei Treffer hinnehmen, die allerdings nicht aus dem Spiel heraus entstanden sind, sondern nach Standartsituationen. Wenn man die Standartsituationen im nächsten Spiel besser in den Griff bekommt, sieht das Ganze schon sehr gut aus. Und der Besuch der Bundeskanzlerin am Mittwoch hat bestimmt auch noch einmal für extra Motivation gesorgt.
Das Personal
Personell denke ich, dass Kim Kulig für das Spiel gegen Japan auf jeden Fall wieder in die Mannschaft zurückkommen wird. Das war denke ich vorher so abgesprochen, dass die beiden 6er ein wenig geschont werden, denn auch Simone Laudehr ist ja in der Halbzeit ausgewechselt worden. Das ist eine sehr laufintensive Position und da muss auch mal gewechselt werden, bei drei Spielen in relativ kurzer Zeit. Bei Linda Bresonik und Melanie Behringer wird es davon abhängen, wie fit die beiden nach der Verletzung beziehungsweise der Erkrankung schon wieder sind. Inka Grings wird schätzungsweise wieder den Vorzug vor Birgit Prinz erhalten. Wie man von Birgit auch selbst in der Pressekonferenz gehört hat, gibt es für Silvia Neid nach dem Spiel gegen Frankreich eigentlich keinen Grund in der Offensive zu wechseln.
Der Gegner im Viertelfinale: Japan
Die Aufgabe gegen Japan wird nicht leicht. Ich habe selbst schon gegen Japan gespielt und sie spielen ein sehr gutes Kurzpassspiel, wenig mit langen Bällen. Das ist man als europäische Mannschaft nicht so gewohnt. Da muss sich die deutsche Mannschaft gut darauf einstellen. Sie muss sehr kompakt stehen und viel Laufbereitschaft zeigen. Ich denke das wird ein attraktives und spannendes Spiel. Das deutsche Team hat aber durch den Gruppensieg und die deutliche Leistungssteigerung gegen Frankreich wieder viel Selbstvertrauen getankt, sodass sie diese Aufgabe erfolgreich meistern wird. Einer ehemaligen Mannschaftskollegin von mir, Kozue Ando, hätte ich es natürlich gegönnt ins Halbfinale einzuziehen, aber jetzt, da Japan gegen Deutschland spielt…
Über die Vorrunde
Was die anderen Mannschaften angeht, hat es für mich in der Vorrunde keine große Überraschungen gegeben. Das Einzige, womit ich nicht unbedingt gerechnet hatte, war, dass sich Australien für das Viertelfinale qualifiziert. Aber die Australierinnen haben gegen Norwegen eine sehr gute Leistung gezeigt und sind für mich deshalb auch verdient ins Halbfinale eingezogen. Trotzdem tippe ich dort ganz klar auf einen Sieg der Schwedinnen, die sich durch den Erfolg im letzten Gruppenspiel gegen die USA weiter in die Favoritenrolle hineingespielt haben.
„Solche Schlagzeilen sind nicht schön“
Dass zwei Spielerinnen der nordkoreanischen Mannschaft unter Doping-Verdacht stehen, finde ich sehr schade. Nordkorea ist bisher bei der WM sowieso schon nicht sehr positiv aufgefallen, durch die merkwürdige Pressekonferenz, bei der der Trainer von einem vermeintlichen Blitzeinschlag im Vorfeld der WM gesprochen hat, der angeblich für den Leistungseinbruch in der zweiten Halbzeit gegen die USA verantwortlich war. Solche Schlagzeilen sind auf jeden Fall nicht schön, vor allem natürlich nicht für den Frauenfußball generell.
Unfassbar war auch die Fehlentscheidung der Schiedsrichterin im Spiel zwischen Australien und Äquatorialguinea, als eine Spielerin den Ball im Strafraum einfach aufgefangen hat. Gut, einer Spielerin kann so etwas aus Reflex vielleicht schon einmal passieren. Aber das unverständliche an dieser Situation war, dass das komplette Stadion das Handspiel gesehen hat, nur die Schiedsrichterin und ihre Assistentin nicht. Die Schiedsrichterleistungen haben bisher schon ein wenig zu wünschen übrig gelassen. Gerade auch im Spiel Deutschland gegen Nigeria haben wir leider eine sehr schwache Leistung der Unparteiischen gesehen.
Umso schöner…
Aber diesen negativen Schlagzeilen steht auch so viel Positives gegenüber. Die bisherigen Spiele, die Stimmung in den Stadien und drum herum, das war einfach super. Da bin ich sehr positiv überrascht. Vor allem bin ich auch darüber erfreut, dass so viele Leute auch zu den Spielen ohne deutsche Beteiligung kommen. Da hatte man vorher ja schon so seine Bedenken. Bei jedem Spiel kommen mindestens an die 20.000 Zuschauer. Das ist einfach toll. Was mich besonders freut ist auch, dass die Spielerinnen endlich richtig bekannt werden in Deutschland. Man erkennt nicht mehr nur die „großen“ deutschen Spielerinnen wie Birgit Prinz, sondern viele andere auch. Und das braucht der Frauenfußball, der dadurch mehrere Gesichter bekommt. Das ist sehr wichtig für den Wiedererkennungswert auch nach der WM und das ist sehr positiv.
Ich wünsche den Mädels viel Erfolg gegen Japan und uns Zuschauern ein richtig tolles Viertelfinal-Spiel.
Bis zum nächsten Mal,
Eure Marina