Nate Thurmond - der erste Mr. Quadruple Double istockphoto.com/Jeff Milner

Nate Thurmond - der erste Mr. Quadruple Double

  • crossover-online.de
Bisher haben es nur vier Spieler in der NBA-Geschichte geschafft, in vier Kategorien zweistellige Werte zu erreichen. Der erste heißt Nate Thurmond, und das ist seine Geschichte.

Jeder, der sich etwas mit der populärsten Basketballliga der Welt auskennt und auch ein wenig über die Jungstars des neuen Jahrtausends Bescheid weiß, kann sicherlich etwas mit "Akron" anfangen. Akron? Ist das nicht ein berühmter Rapper? - Falsch, nicht der aus dem Senegal stammende Klingelton-Musiker ist gemeint (der übrigens Akon heißt), sondern eine Kleinstadt im US-Bundesstaat Ohio. In diesem Ort wurde Cavaliers-Guard LeBron James geboren, und seit seiner High-School-Zeit ist die 200.000-Seelen-Stadt Pilgerort für viele Basketballfreunde. Aber nicht erst seitdem der König in der Liga regiert, sind Akron und Basketball miteinander verbunden. Der nur 39 Jahre alt gewordene Gus Johnson (neun Jahre bei den Baltimore Bullets in der NBA und ein Jahr bei den Indiana Pacers in der ABA) stammte auch aus der fünftgrößten Stadt Ohios. Aber da ist noch jemand, der aus Akron stammt und nach seiner erfolgreichen NBA-Laufbahn u.a. das bekannte Restaurant "Big Nate's BBQ" in San Francisco eröffnet hat: Die Rede ist von Nate Thurmond, einem der besten Center, den das Spiel je gesehen hat.

Thurmond erblickt am 25. Juli 1941 das Licht der Welt und geht später in die Liga-Geschichte ein als der Akteur, dem als erster ein Quadruple Double gelingt. Das vierfache Doppel schafft er in der Spielzeit 1974/75 - ein Jahr, nachdem die Spielanalytiker begonnen haben, auch die geblockten Würfe statistisch zu erfassen.


Doch wie wurde dieser Junge aus der Provinz zu "Great Nate"? Bereits in der High School zeichnen sich erste Erfolge ab. Gemeinsam mit Gus Johnson steht er im Team der Akron Central Hower High School, das ungeschlagen in die Playoffs einzieht. Erst gegen Middletown und ihren Star-Spieler Jerry Lucas (NBA-Champion 1973 mit den Knicks) scheiden sie in der Meisterschaftsrunde aus. Aus Angst, im College-Team hinter Lucas nur die zweite Geige zu spielen, wählt Thurmond schließlich nicht die lokale Ohio State University, sondern geht an die Hochschule von Bowling Green State. Dort erzielt er in drei Jahren 17,8 PpG und 17,0 RpG und wird 1963 zum All-American gewählt. Im Sommer desselben Jahres wechselt er zu den Profis.

Die San Francisco Warriors, ein aufstrebendes Team mit Stars wie Wilt Chamberlain oder später Rick Barry, wählen den aggressiven Rebounder an dritter Stelle im NBA-Draft. Neben dem dominierenden Star-Center Chamberlain drückt auch Thurmond dem Spiel seinen Stempel auf und schafft den Sprung ins All-Rookie-Team von 1964. Als Neuling sammelt er sieben Punkte und über zehn Rebounds im Schnitt. Als Chamberlain in der darauffolgenden Spielzeit aus finanziellen Gründen an die Philadelphia 76ers abgegeben wird, übernimmt Thurmond alsbald die Rolle des startenden Centers. In dieser Rolle blüht er auf, lässt die Statistiker in den folgenden zehn Jahren jeweils ein Double Double im Schnitt hinter seinem Namen notieren und schafft siebenmal den Sprung ins All-Star-Team.

Seine erfolgreichste Spielzeit bestreitet Thurmond 1967/68, als er 20,5 Ppg und 22,0 RpG markiert - nur Chamberlain, Lucas und Bob Pettit ist bisher auch das Kunststück gelungen, in einer Saison ein Double Double Double (in zwei Kategorien mindestens 20) zu erzielen. Thurmonds Reboundschnitt von 22,0 RpG in einer Saison ist in der Geschichte nur von Bill Russell und "Wilt the Stilt" übertroffen worden. Allerdings hat Thurmond den alleinigen Rekord inne, in einem Viertel 18 Rebounds gepflückt zu haben (28.02.1965 vs. Baltimore). Sein persönlicher Bestwert sind 42 Boards in nur einer Partie (9.11.1965 vs. Detroit), insgesamt steht er auf Platz acht in der ewigen Rebound-Rangliste.

Fehlende Erfolge trotz individueller Klasse

Obwohl die Warriors eine schlagfertige Truppe beisammen haben, gelingt ihnen nicht der große Wurf. Zunächst scheitern sie 1964 im Finale an den Boston Celtics, obwohl Chamberlain und Thurmond im Frontcourt regieren. Danach ist zwei Jahre lang nach der Regular Season Urlaub angesagt, ehe sie sich in der Spielzeit 1966/67 erneut bis in die Finals vorkämpfen, dort jedoch wiederrum unterliegen. Diesmal gewinnen die Philadelphia 76ers mit 4:2, in deren Reihen Chamberlain nun auf der Fünf agiert. Zwar schaffen es die Warriors in den folgenden sieben Jahren noch fünfmal, sich für die Postseason zu qualifizieren, scheitern jedoch entweder an den Los Angeles Lakers oder an den Milwaukee Bucks.

Auch wenn Thurmond Jahr für Jahr seine Leistung abruft und konstant spielt, entscheidet sich das Management der Warriors schließlich dazu, den Center im Sommer 1975 für den jüngeren Clifford Ray (zehn NBA-Saisons bei Chicago und Golden State mit 7,4 Ppg und 8,9 RpG in 784 Spielen) nach Chicago zu traden. Thurmond zeigt daraufhin zu Beginn der Spielzeit 1974/75 sofort, dass ihm der Wechsel zu den Bulls nicht schmeckt. So setzt er gleich in seinem ersten Spiel für Chicago ein Ausrufezeichen und serviert den Atlanta Hawks am 18.10.1974 ein Komplettpaket seines Könnens: Als erster Spieler der NBA-Geschichte erzielt er in vier Kategorien zweistellige Werte. Am Ende der Begegnung hat er 22 Punkte, 14 Rebounds, 13 Assists und zwölf Blocks auf seinem Konto; ein Erfolg, den seitdem nur drei andere Spieler (Alvin Robertson, David Robinson und Hakeem Olajuwon) verbucht haben.


Doch dieses Zahlen-Highlight ist der letzte Glanzpunkt in der Karriere des Nate Thurmond. In den Playoffs 1975 scheitern die Bulls im siebten Spiel der Western Conference Finals an den Golden State Warriors, die danach ihre bisher einzige Meisterschaft gewinnen.

Nach nur einer Saison und 13 Spielen in der Spielzeit 1975/76 wird Thurmond für die zwei Rollenspieler Steve Patterson und Eric Fernsten zu den Cleveland Cavaliers getradet. Zurück in seiner Heimat, kommt der 35-jährige Bigman für Center Jim Chones von Bank. Die Cavs schaffen mit Thurmond erstmals in der Franchise-Geschichte den Sprung in die Playoffs, unterliegen dort aber in den Eastern Conference Finals den Boston Celtics mit 2:4. In Thurmonds letztem NBA-Jahr, in dem er allabendlich nur noch 5,5 PpG und 7,6 RpG produziert, scheitert Cleveland schließlich in der ersten Runde der Postseason an Baltimore. Die Zeit in Cleveland ist für Thurmond trotz den schwächer werdenden Leistungen eine der schönsten seiner Karriere. Er genießt es, nahe seiner Heimat spielen zu dürfen, und ist von den Fans fasziniert, die ihn und die Mannschaft euphorisch feiern, weil sie erstmals die Playoffs erreicht haben. Thurmond, den Lokalhelden, verehren sie wie einen Basketballgott.

Nach dem Aus in der Meisterschaftsrunde endet die Karriere von Thurmond, der 1985 in die Hall of Fame aufgenommen und 1996 zu einem der 50 besten Spieler der NBA-Geschichte gewählt wird. Bei den Golden State Warriors und den Cleveland Cavaliers hängt seine Trikotnummer unter der Hallendecke. Thurmond gilt als einer der besten Rebounder und Schussblocker der Ligageschichte und ist in der Bay Area beinahe so bekannt wie die Golden Gate Bridge selbst. Auch wenn ihm ein NBA-Titel verwehrt geblieben ist, gelingt Thurmond eine individuellen Glanzleistung, die ihm keiner nehmen kann: Er ist Mr. Quadruple Double.

Thomas Kaeckenmeister, crossover-online.de

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten