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Über Nachhaltigkeit und Verantwortung: fair produzierte Textilien in der Outdoor-Branche
Umwelt- und sozialfreundlich sind ohne Frage schöne Adjektive. Aber was bedeuten sie eigentlich, wenn wir über das Thema fair produzierte Textilien sprechen? Eine Frage, deren Beantwortung sich in den vergangenen Jahren vor allem die Outdoor-Branche gewidmet hat.
Am 24. April 2013 stürzte in Sabhar, einer Stadt in Bangladesch, eine Textilfabrik ein. Dabei wurden 1127 Menschen getötet, 2438 wurden verletzt. Es war nicht der einzige tragische Vorfall, mit dem das südasiatische Land in den vergangenen Jahren auf sich aufmerksam gemacht hat. Unmenschliche Arbeitsbedingungen, giftige Chemikalien und Dumping-Löhne sind mittlerweile wohl leider die Assoziationen, die man in Verbindung mit den Arbeitsverhältnissen in Bangladesch als erstes hegt. Wenn man sich dann auch noch vor Augen führt, wie viele Etiketten unserer Kleidung mit „Made in Bangladesh“ versehen sind, sollten wir uns die Frage stellen, wie es insgesamt um die Textilindustrie bestellt ist. Verliert man da nicht automatisch den Glauben an die Möglichkeit eines fairen Handels?
Nicht nur diesbezüglich müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden – hier kommt wieder Greenpeace ins Spiel. Eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2013 stellte heraus, dass Outdoor-Kleidung Schadstoffe enthält, die der Umwelt und der Gesundheit schaden, eine weitere Veröffentlichung der Naturschutzorganisation bestätigte die Erkenntnisse (vgl. Outdoor Report 2016). Dabei wurden 15 Jacken und zwei Handschuhe verschiedener Hersteller getestet. In allen Proben waren per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) enthalten, die in den Fabriken Asiens beim Färben, Bedrucken und Imprägnieren zum Einsatz kommen – beispielsweise um Produkte wasserfest zu machen. Und die Chemikalien sind nicht nur gesundheitsschädlich für die Mitarbeiter: Auch an die Luft werden die Schadstoffe abgegeben. Seit 2011 setzt sich Greenpeace deshalb mit einer Detox-Kampagne unter anderem für ein PFC-Verbot ein. 32 globale Modemarken wurden bis jetzt dazu bewegt, bis 2020 auf den Einsatz nachweislich umwelt- und gesundheitsschädlicher Chemikalien zu verzichten. Aber warum kommen diese Chemikalien überhaupt zum Einsatz? „Das eigentliche Problem liegt darin, dass PFC die Gruppe von Schadstoffen ist, die vom Gesetzgeber nicht geregelt ist. Es gibt alternative Substanzen und bei Vaude kommen wir auch immer besser ohne den Einsatz schädlicher Chemikalien aus. Allerdings können wir als Marke keine Grundlagenforschung anstellen und alternative Substanzen erfinden – das liegt außerhalb unserer Kernkompetenz. Wenn es einen politisch festgelegten PFC-Grenzwert geben würde, dann würde sich die Chemieindustrie in Sachen schadstofffreie Substanzen sicher schneller bewegen. Es müsste einen Handlungsdruck geben“, erklärt Patzwall.
Fairer Handel – was heißt das eigentlich?
Um dieser Frage nachzugehen, muss man sich zunächst darüber bewusst werden, was das Wort fair in diesem Zusammenhang bedeutet. Wenn von fairem Handel die Rede ist, ist damit eine Handelspartnerschaft gemeint, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht. Der faire Handel strebt nach mehr Gerechtigkeit und sozialfreundlichen Arbeitsbedingungen. Damit bietet er benachteiligten Produzenten die Möglichkeit, ihre Produkte unter fairen Bedingungen zu vermarkten. Ziel des fairen Handels ist eine nachhaltige Entwicklung. Dafür setzt sich auch der deutsche Bergsportausrüster Vaude ein. „Nachhaltigkeit bei Vaude heißt, dass wir als jetzige Generation nur so viel verbrauchen dürfen, dass der Lebensstandard von kommenden Generationen nicht beeinträchtigt wird. Die Nachhaltigkeit beruht insgesamt auf drei Säulen, die man in Einklang bringen muss: Umweltschutz, Soziales und Wirtschaftlichkeit. Vaude ist davon überzeugt, dass alles, was wir für die Umwelt tun, auch dem Menschen dient“, erklärt Hilke Patzwall, die den Bereich Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung bei Vaude leitet. Das Thema Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren vor allem in der Outdoor-Branche an Bedeutung gewonnen; so auch bei der französischen Marke Picture Organic Clothing, die 2008 gegründet wurde. „Nachhaltigkeit bedeutet für uns, dass der gesamte Lebenszyklus des Produktes betrachtet wird. Schon in der Entwicklungsphase denken wir bereits an das Ende der Produktlebensdauer und betrachten seine Recyclingfähigkeit“, so Picture-Gründer Julien Durant.
Nachhaltigkeit dank Kontrolle
Ökologisch einwandfreie Kleidung unter humanen Arbeitsbedingungen und zu einem gerechten Lohn herzustellen, zählt sowohl bei Vaude als auch bei Picture zur Nachhaltigkeitsstrategie. Vaude lässt seine Produkte hauptsächlich im asiatischen Raum herstellen; vor allem in China und Vietnam. Ein weiterer Teil der Kollektion wird in Tettnang (Baden-Württemberg), dem Firmensitz von Vaude, produziert. Auch bei Picture stammt ein Großteil aus asiatischen Fabriken: 55 Prozent der Ware werden laut Durant in Asien (China, Taiwan, Vietnam) hergestellt, 45 Prozent kommen aus Europa (Frankreich, Türkei). Um nachhaltig wirtschaften zu können, müssen mehrere Aspekte beachtet werden: die Herkunft der Rohstoffe, eine umweltschonende Aufbereitung und das Wohl der Arbeiter, die die Materialien verarbeiten und zuliefern. Dass das sehr hohe Ansprüche darstellt, deren Erfüllung im Ausland leider nur schwer zu überprüfen ist, dürfte bekannt sein. Da liegt die Frage nahe, warum Unternehmen ihre Textilien nicht gleich in Europa produzieren lassen? „Es gab zwei gravierende Gründe, warum die Textilindustrie von Europa nach Asien abgewandert ist. Der eine Grund waren die zu hohen Lohnkosten in Europa. Der zweite Grund: Die Entwicklung und Herstellung von Stoffen liegt in Asien in guten Händen. Die Asiaten haben eine hohe textile Kompetenz – insbesondere im Kunstfaserbereich“, weiß Patzwall. Fairer Handel sei hier nicht ausgeschlossen. Vaude ist Mitglied der Fair Wear Foundation, die die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie zum Ziel hat. „Es wird sichergestellt, dass die sozialen Standards in den Textilfabriken unserem westlichen Anspruch entsprechen. Die Fair Wear Foundation überprüft die Fabriken vor Ort. Die Abstände, in denen überprüft wird, legt die Fair Wear Foundation fest. Wenn soziale Standards nicht eingehalten werden, werden Maßnahmenpläne erstellt“, so Patzwall. Ziel sei es, die Arbeiter vor Ort in die Lage zu versetzen, sich selber zu helfen, indem sie ihre Rechte und Pflichten kennen, indem sie sich zusammentun und kollektiv Löhne verhandeln, sich also kollektiv gegen bestimmte Missstände zur Wehr setzen. Auch Picture hat sich laut Durant vorgenommen, 2016 der Fair Wear Foundation beizutreten, um für noch mehr Transparenz in puncto Nachhaltigkeit zu sorgen.Die Rolle von Greenpeace
Bleibt die Frage, wie der Verbraucher mit dem Thema Nachhaltigkeit umgeht. Laut einer Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2015 ist Deutschland in Sachen Kleidung der Inbegriff einer Wegwerfgesellschaft. Im Durchschnitt besitzt jede erwachsene Person zwischen 18 und 69 Jahren in Deutschland 95 Kleidungsstücke (ohne Unterwäsche und Socken). Jedes fünfte Kleidungsstück (19 Prozent) wird so gut wie nie getragen. Fast jeder Zweite gab an, innerhalb weniger als einem Jahr Schuhe, Oberteile und Hosen auszusortieren. Spätestens nach drei Jahren werden mehr als die Hälfte der Oberteile, Hosen und Schuhe ausgemustert. Jacken, Mäntel und Kleider überleben hingegen immerhin mehr als drei Jahre, bevor sie ausrangiert werden. Die Ergebnisse sprechen also dafür, dass Kurzlebigkeit den Inhalt deutscher Kleiderschränke bestimmt. Ist dann nicht der Verbraucher das eigentliche Problem, der aufgrund seiner Wegwerf-Moral einen nicht fairen Handel fördert, wenn er möglichst viel zu niedrigen Preisen kaufen möchte? Und was bedeutet das für die Outdoor-Branche? „Niemand kauft eine Jacke, nur weil sie wasserdicht ist. Aber auch nicht nur, weil sie fair produziert ist – so geht kein Mensch shoppen. Das Drumherum muss auch stimmen: Das Design eines Produktes, seine Innovation; das Produkt muss auch aussehen, damit es gekauft wird“, sagt Patzwall. Bei Vaude habe man das Gefühl, dass die Sensibilität der Kunden für das Thema Nachhaltigkeit steigt. Das ist sicherlich nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der potenzielle Vaude-Kunde per se ein Interesse für das Thema mitbringt. In Patzwalls Augen sei es aber grundsätzlich falsch, mit dem Finger auf den Konsumenten zu zeigen: „Ich denke, die Industrie hat eine Bringschuld. Die Verantwortung der Industrie ist höher als die des Konsumenten. Und dafür muss sie Rahmenbedingungen schaffen.“Nicht nur diesbezüglich müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden – hier kommt wieder Greenpeace ins Spiel. Eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2013 stellte heraus, dass Outdoor-Kleidung Schadstoffe enthält, die der Umwelt und der Gesundheit schaden, eine weitere Veröffentlichung der Naturschutzorganisation bestätigte die Erkenntnisse (vgl. Outdoor Report 2016). Dabei wurden 15 Jacken und zwei Handschuhe verschiedener Hersteller getestet. In allen Proben waren per- und polyfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) enthalten, die in den Fabriken Asiens beim Färben, Bedrucken und Imprägnieren zum Einsatz kommen – beispielsweise um Produkte wasserfest zu machen. Und die Chemikalien sind nicht nur gesundheitsschädlich für die Mitarbeiter: Auch an die Luft werden die Schadstoffe abgegeben. Seit 2011 setzt sich Greenpeace deshalb mit einer Detox-Kampagne unter anderem für ein PFC-Verbot ein. 32 globale Modemarken wurden bis jetzt dazu bewegt, bis 2020 auf den Einsatz nachweislich umwelt- und gesundheitsschädlicher Chemikalien zu verzichten. Aber warum kommen diese Chemikalien überhaupt zum Einsatz? „Das eigentliche Problem liegt darin, dass PFC die Gruppe von Schadstoffen ist, die vom Gesetzgeber nicht geregelt ist. Es gibt alternative Substanzen und bei Vaude kommen wir auch immer besser ohne den Einsatz schädlicher Chemikalien aus. Allerdings können wir als Marke keine Grundlagenforschung anstellen und alternative Substanzen erfinden – das liegt außerhalb unserer Kernkompetenz. Wenn es einen politisch festgelegten PFC-Grenzwert geben würde, dann würde sich die Chemieindustrie in Sachen schadstofffreie Substanzen sicher schneller bewegen. Es müsste einen Handlungsdruck geben“, erklärt Patzwall.