Marcel Desailly zur WM – „Für Brasilien wird das nächste Jahr unglaublich wichtig“ getty images; Marcel Desailly nach dem gewonnenen WM-Finale

Marcel Desailly zur WM – „Für Brasilien wird das nächste Jahr unglaublich wichtig“

  • Nils Borgstedt
Marcel Desailly wurde 1998 Fußball Weltmeister. Mit Frankreich in Frankreich. In einem Jahr steht in Brasilien erneut eine Fußball-WM auf dem Programm und der Titel in der Heimat ist für die Selecao Pflicht. Der ehemalige Kapitän der Equipe Tricolore, hat im Rahmen der Verleihung der Laureus World Sports Awards in Rio de Janeiro einen kleinen Ausblick auf die kommende WM gegeben.

netzathleten.de: Was erwartest du von der WM 2014 in Brasilien?
Marcel Desailly: Ich erwarte von den Brasilianern, dass sie bis dahin ein gutes Team aufgebaut haben, auch wenn es nicht einfach wird. Aber getragen von einem wirtschaftlichen Aufschwung entwickelt sich der Fußball hier. Die Begeisterung ist groß, Sponsoren investieren in die Liga. Wenn Sponsoren kommen, kommen Geld und Medien und folglich auch mehr Aufmerksamkeit. Spieler gehen nach Brasilien zurück, um hier in der Liga zu spielen. Das zeigt den hohen Stellenwert. Und insgeheim hoffe ich, dass sich Brasilien bei der WM gut schlägt. Durch einen Titelgewinn wird indirekt das ganze Land gepusht. Wir haben das 1998 in Frankreich gesehen, als wir den Titel gewannen. Es wird eine positive Energie in der Bevölkerung freigesetzt, die Wirtschaft erhält einen Schub und zu guter Letzt investieren die Leute mehr. Daher hoffe ich, dass auch Brasilien vom Erfolg seiner Nationalmannschaft profitieren kann.

netzathleten.de: Und was konkret erwartest du von der Mannschaft selbst, vor allem von Neymar?
Marcel Desailly: Das nächste Jahr wird für ihn und die gesamte Mannschaft ein unglaublich wichtiges. Sie haben keinen ganz so herausragenden Spieler wie in den letzten Jahren. Spieler wie Rivaldo, Ronaldo, Cafu. Diese Spieler hatten sich alle auf höchstem Niveau in europäischen Spitzenclubs bewiesen. Sie genossen weltweites Ansehen. Und das hat Neymar noch nicht. Er hat Potential, aber man muss sehen, wie er sich schlägt, wenn er es mit internationalen Spitzenspielern zu tun bekommt.

netzathleten.de: Und ein kleiner Tipp für die Verteidiger, die gegen Neymar oder Messi spielen müssen. Wie verteidigt man sie am besten?
Marcel Desailly: Man muss sie doppeln, hart verteidigen und immer unter Druck setzen. Der AC Milan hat das taktisch sehr gut und sehr diszipliniert gemacht, als sie im Hinspiel des Champions League Achtelfinals 2:0 gegen Barcelona gewonnen haben. Allegri hatte sein Team super eingestellt. Milan hat taktisch ein herausragendes Spiel gemacht. Das war etwas für wahre Fußball-Experten. Und man hat deutlich gesehen, wie wichtig das Kollektiv im heutigen Fußball ist. Auch Spieler, die als taktisch nicht so diszipliniert gelten, wie Kevin Prince Boateng oder Muntari, haben mitgemacht. Spanien hat das Arbeiten als Kollektiv perfektioniert. Sie sind darin die besten. Auch sonst sieht man, dass die Teams mit dem besseren Kollektiv häufig gewinnen.

netzathleten.de: Kommen wir nochmal zurück zur WM. Dein Vater stammt aus Ghana. Wie siehst du die Chancen der afrikanischen Teams bei der kommenden WM?
Marcel Desailly: In den 84 Jahren, in denen die Weltmeisterschaft ausgespielt wird, hat noch kein afrikanisches Team jemals das Halbfinale erreicht. Auch wenn man um das Potential des afrikanischen Fußballs weiß, gibt es ein Problem. Als 2010 die WM in Afrika stattfand, haben wir alle ein bisschen gehofft, dass eine afrikanische Mannschaft ins Halbfinale kommt. Ghana hat es dann ja auch fast geschafft. Aber es hat letztlich wieder nicht geklappt. Ich glaube, dass es in jeder der afrikanischen Ligen noch eine Menge zu tun gibt, damit sie Spieler haben, die in ihren eigenen Ligen spielen und trotzdem auf höchstem Niveau bestehen können. In der Vorrunde, also die ersten drei Spiele einer WM, können sie ihr volles Potential abrufen. Aber der hohe Druck, der auf den Spielern lastet, und das hohe Niveau der Spiele kosten eine Menge Energie. So kommen sie zwar durch die erste Runde, scheitern aber früh in der K.O.-Phase. Das liegt daran, dass viele im Team keine professionellen Spieler sind. In der Regel haben afrikanische Mannschaften drei, vier oder fünf Top-Spieler, aber das reicht nicht, um eine Weltmeisterschaft zu gewinnen.

Bild im Artikel: (c) getty images

Kontakt

Copyright © 2017 netzathleten