BBL-Legende Derrick Taylor im Interview picture alliance; Derrick Taylor zu seiner aktiven Zeit in Bamberg

BBL-Legende Derrick Taylor im Interview

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BBL-Legende Derrick Taylor spricht im ersten Teil des großen Crossover-Interviews über seine Karriere als Spieler, seine beiden Rücktritte und den Anfang seiner Coaching-Karriere.

CROSSOVER: Derrick, du hast deine ersten Erfahrungen auf europäischem Parkett mit Ostende in Belgien gesammelt. Das war 1989. Wie war das für dich?

Derrick Taylor: Ich hatte einige Freunde, die bereits in Europa in verschiedenen Orten waren. Also wusste ich ungefähr, was mich erwarten würde. Es war nicht wirklich ein großer Kulturschock für mich. Ich komme aus Louisiana, also war das Essen auch kein großer Schock. Meine Eingewöhnungszeit fand somit quasi gar nicht statt. Ich hatte gute Teamkollegen. Ostende ist eine schöne Stadt. Ich habe meinen ersten Aufenthalt in Europa wirklich genossen.

1991 bist du nach Bayreuth gewechselt.

Nun, ich ging für ein Jahr zurück in die CBA (Continental Basketball Association, USA) und stellte fest, dass ich irgendwann mal häuslich werden müsse. Plötzlich fand ich mich in Bayreuth wieder. Bayreuth war bekannt als eine Mannschaft, in der du bleiben kannst, wenn du gut spielst – und wenn du bleiben möchtest. Ich war nie der Spielertyp, der umherwechselt und ständig in einer anderen Stadt spielt. Wie sich später herausstellte, kam es doch noch dazu. Aber zunächst blieb ich sechs Jahre lang in Bayreuth (1991 bis 1996).

Ja, das waren einige turbulente Jahre, mit Abstieg, direktem Aufstieg und den Playoffs.

Das war eine schwere Zeit. Das Team veränderte sich. Es hatte glorreiche Zeiten hinter sich und eine schwierige Zeit in der Europaliga, weil sich viele Spieler verletzt hatten. Auch die finanzielle Lage erzwang ein Umdenken. Um ehrlich zu sein, waren wir nicht so gut, wie es schien. Wir hatten eine gute Truppe beisammen, aber vom Talent her konnten wir nicht mit anderen Teams mithalten. Wir hatten außerdem einen jugoslawischen Jungspund im Team, bei dem sich herausstellte, dass er als Ausländer gar nicht spielberechtigt war. Deswegen wurden zur Strafe, glaube ich, drei Spiele gegen uns gewertet. Das hat uns in den Abstiegsstrudel geführt und mitgerissen. Wir stiegen ab und das war ziemlich hart. Im Vorjahr hatte ich noch die CBA-Meisterschaft mit den Wichita Falls Texans gewonnen und nun war es schwer für mich abzusteigen.

Hattest du damals an einen Wechsel gedacht, um nicht in der zweiten deutschen Liga spielen zu müssen?

Daran habe ich gedacht. Aber alles in mir sagte, dass ich bleiben solle. Ich müsse dem Team helfen. Sie waren fair zu mir, sie waren ehrlich zu mir. Alles war in Ordnung mit der Mannschaft, es lief nur sportlich nicht gut. Ich stand in der Verantwortung, weil ich der einzige amerikanische Spieler im Team war. Dann lernte ich auch meine Frau kennen. Und alles hat sich daraufhin geändert.

Nach dem Abstieg folgte der direkte Wiederaufstieg in die Bundesliga.

Ja, wir hatten einige gute Spieler am Start. Es waren junge Deutsche, die hungrig waren. Ich glaube, wir hatten damals in der gesamten Saison 1992/1993 nur ein Spiel verloren. Wir hatten eine ziemlich starke Truppe. Uns gelang sogar der Sprung ins Halbfinale des deutschen Pokals.

Nach sechs Jahren bist du dann 1996 nach Italien gewechselt.

Ich hatte Bayreuth während der Saison verlassen. Das Team hatte finanzielle Schwierigkeiten, also sagten sie mir, dass sie mich ziehen lassen würden, wenn ich ein gutes Angebot vorliegen hätte. Zu der Zeit hatte ich schon Familie und einen kleinen Sohn. Also sagte ich mir, dass es an der Zeit ist, an einen anderen Ort zu gehen und zu schauen, was dort möglich ist.

Du hast eine Saison bei Carmatic Pistoia in der Serie A verbracht. Wie war das?

Das war das Beste. Es war eine großartige Erfahrung. Die erste italienische Liga war wie eine andere Welt für mich. Alles war absolut professionell. Dort herrschte unter den Fans eine Atmosphäre wie am College. Auch um meine Familie wurde sich sehr gut gekümmert. Ich hatte eine sehr gute Zeit in Pistoia. Damals war es auch eine sehr erfolgreiche Zeit für den italienischen Basketball. Es war großartig, gegen die Benettons und Bolognas anzutreten. Damals haben wirklich einige großartige Spieler dort gespielt.


Nach nur einem Jahr bist du wieder nach Deutschland zurückgekehrt, hauptsächlich wegen deines Sohnes, richtig?

Ja, das war eigentlich der einzige Grund. Er ging noch ein Jahr in den Kindergarten und hatte Probleme mit Englisch, Deutsch und Italienisch. Also sagte ich: Okay, lass uns zurück nach Deutschland gehen, dass er dort aufwachsen kann. Er wird in einem Jahr in der Schule sein. In Italien waren die Anforderungen an ihn einfach zu hoch.

Du bist dann in Leverkusen bei Head Coach Dirk Bauermann gelandet. Unglücklicherweise endete aber 1996 die Titelserie Leverkusens vor deiner Ankunft.

Stimmt, Dirk war immer noch als Trainer dort tätig und Leverkusen war zu der Zeit immer noch das „Powerhouse“ in Deutschland. Aber alle Spieler gingen weg. Das war der Beginn des Bosman-Urteils, dass du überall hin wechseln konntest. Also ging Mike Koch zum Beispiel nach Griechenland. Henning Harnisch wechselte zu Alba Berlin. Das Team zerfiel und wir hatten eine weitere Jugendbewegung in Leverkusen mit vielen jungen, talentierten Deutschen. Leverkusen war immer noch Leverkusen mit großartigem Umfeld und netten Leuten, und wir hätten beinahe die Playoffs verpasst.

Wie war die Reaktion der Fans nach all diesen Meisterschaften in den Jahren zuvor?

Es war gut, denn sie kannten die Situation. Es war klar. Du bist zum Spiel gegangen und hast viele junge Spieler gesehen, nachdem zuvor diese großartigen Spieler dort waren. Sie wussten, dass es eine neue Situation war, aber sie unterstützten uns wie verrückt. Wir kämpften hart und sicherten uns noch den letzten Playoff-Platz. Das bedeutete, dass wir gegen den Ersten, Alba Berlin, antreten mussten. Es war dennoch eine erfolgreiche Saison, weil die jungen Spieler bis an ihre Grenzen gingen.

Nach zwei Jahren in Leverkusen bist du viel herumgereist. Du hast in Frankreich und Italien gespielt.

Nach dem zweiten Jahr erhielt ich ein Angebot aus Frankreich, um für Pau Orthez zu spielen. Dieses Angebot konnte ich nicht ausschlagen. Es war die Chance, in der Europaliga zu spielen und musste es einfach annehmen. Ich dachte, es sei die letzte Chance für mich, in der Europaliga zu spielen. Also dachte ich, dass ich es versuchen und die Erfahrung mitnehmen will. Wir zogen also nach Pau um.

Während der Saison bist du dann in Italien gelandet?

Ja, es war ziemlich hart in der französischen Liga, besonders für ausländische Spieler. Wir verloren ein Spiel in der Euroleague, hatten einen ungarischen Center und zwei Tage später war er weg, obwohl wir die französische Liga dominierten und ungeschlagen waren. Als wir das nächste Euroleague-Spiel verloren, musste der nächste Ausländer seine Koffer packen. Als wir dann wieder in der Euroleague verloren, musste ich gehen.

Aber so ist nun mal das Geschäft im europäischen Basketball.

Genau. Das war das große Erwachen des europäischen Basketballs. Aber gut, das ist Teil des Geschäfts. So ist das Leben.

Also bist du nach Italien zurückgekehrt.

Ja, ich ging nach Reggio in die Nähe von Bologna. Es war großartig. Italien ist einfach großartig.

Darauf folgte die Rückkehr nach Deutschland. War es wirklich beabsichtigt, nach Deutschland zurückzukehren?

Ja, es war genug mit der Fliegerei. Wir mussten David (Derrick Taylors Sohn) eine stabile Situation geben. Vorbei war die Zeit mit den Umzügen und den großen Transportern, die mit all unseren Sachen in verschiedene Länder fuhren. Es war genug und wir entschieden uns, in Bayreuth heimisch zu werden.

Dann ging es jedoch nach Frankfurt.

Ja, das war irgendwie seltsam, weil ich eigentlich aufhören wollte und eine zweite Karriere mit meinen Hochschulabschluss anfangen wollte, um mich in Deutschland selbständig zu machen. Ich kannte Mike Koch ein wenig von unseren früheren Duellen. Er rief mich an und sagte, dass Kai Nürnberger und Pascal Roller verletzt sind und fragte, ob ich nicht für ein bis eineinhalb Monate aushelfen könne. Ich sagte mir: Warum nicht? Ich komme und helfe euch aus. Somit war mein erster Ruhestand beendet. Dann rief Herr Heyder an.


Kanntest du Bambergs Manager Wolfgang Heyder zuvor?

Heyder kennt meinen Schwiegervater, der mit Basketball in Bayreuth zu tun hatte. Also waren sie schon vernetzt. Ich denke auch, dass Heyder mich etwas verstand. Er sagte: „Derrick, ich weiß, dass du deine Karriere beendet hast, aber wir sind das schlechteste Team in Deutschland und wenn du wirklich glaubst, dass du gut bist, dann kannst du dich in dieser Situation beweisen. Wenn du wirklich helfen möchtest, dann kannst du das in Bamberg tun.“ Und ich dachte mir, dass es nach einer großen Herausforderung klingt.

Dirk Bauermann heuerte in der darauffolgenden Saison dort an.

Stimmt. Das war ziemlich schwierig. Es kursierten viele Namen. Heyder fragte auch mich nach meiner Meinung. Ich kannte Dirk von meiner Zeit in Leverkusen und ich sagte, dass er ihn verpflichten solle.

Es ist bekannt, was danach in Bamberg geschah (vier Finalteilnahmen und zwei Meisterschaften unter Dirk Bauermann), aber sprich ein wenig über die Anfänge deiner Zeit dort.

Da weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Um ehrlich zu sein, war es kein Spitzenclub in Deutschland. Und ich denke, dass man Heyders Leistung hervorheben muss. Er arbeitete wie verrückt. Er war im Büro und schaffte etwas. Er knüpfte Kontakte und rekrutierte Spieler. Er machte alles, um diesen Standort nach vorn zu bringen. Wir hatten nicht viel Talent. Als ich dort hinkam, war das einzige Ziel, in der Liga zu bleiben, also einfach nicht abzusteigen. Wir schafften dieses Ziel und jedes Jahr ergänzten wir ein kleines Teil – um es Stück um Stück aufzubauen. Es war ein großes Stück, als wir Dirk Bauermann als unseren Coach holten. Das war vermutlich das größte Teil in diesem Puzzle. In jedem Jahr fügten wir weitere Teile hinzu, also die richtigen Charaktere. Wir fanden dadurch die richtige Chemie. Vier Jahre später waren wir ein Titelkandidat. Das war sehr harte Arbeit. 2004 waren wir alle gesund und beendeten Albas langen Lauf, als wir sie im Halbfinale besiegten, bevor wir letztlich gegen Frankfurt im Finale verloren.

Danach war es dann an der Zeit, die Sneaker erneut an den Nagel zu hängen?

Nun, zu der Zeit war ich 40 Jahre alt und ich hatte mir gesagt, dass ich höchsten bis 34 spielen würde. Ich wollte nicht einer dieser Spieler sein, die sich ihr Kreuzband reißen, also war es für mich an der Zeit zurückzutreten. Heyder hat mich dabei sehr unterstützt. Er meinte, dass er es sehr schätzen würde, wenn ich der Organisation als Coach erhalten bliebe. Er öffnete mir dafür die Tür. Er meinte, wir könnten etwas für mich in der Führungsetage oder im Bereich Coaching finden. Ich sagte ihm, dass ich lieber als Coach arbeiten wolle und in das Team involviert sein möchte. Also war es für mich an der Zeit für eine neue Herausforderung.

Dadurch bist du dann in Breitengüßbach gelandet. Im Jahr 2005 meinten sie jedoch zu dir: „Derrick, hast du Bock, noch etwas für uns zu zocken? Wir könnten dich gut gebrauchen.“

Hurl Beechum war der beste Punktesammler in der Mannschaft. Wir saßen also beim Trainertreffen zusammen, redeten und überlegten, wie man den führenden Korbjäger ersetzen könnte, ohne die Teamchemie zu ruinieren. Man müsse jemanden ins Spiel bringen, der viel punktet. Aber wenn man einen jungen Spieler die Verantwortung übergibt, dann könnte das dazu führen, dass er den Basketball dominiert. Wenn du einen älteren Spieler nimmst … Und dann meinte Dirk (Bauermann): „Verdammt, Derrick, warum spielst du nicht? Was ist das Problem?“ Ich antwortete: „Come on, Dirk.“ Und er konterte: „Also, wo liegt das Problem?“ Und ich dachte: „Hmmm, okay, lass mich mal etwas Joggen.“ Damals waren noch zwei Saisonspiele zu absolvieren vor den Playoffs.

Und dann hast du Bamberg geholfen, endlich die Meisterschaft zu gewinnen.

Ja, endlich holten wir den Titel. Das war ein Ende nach Drehbuch. Endlich konnte ich in einem großartigen Team spielen – mit Demond Mallet, Koko Archibong, Chris Ensminger, Uvis Helmanis and Mike Nahar. Wir hatten ein unglaublich gutes Team zusammen. Ich musste einfach in der Ecke stehen und ab und zu kam von Demond der Pass auf mich und ich konnte zum Dreier hochsteigen. Ich musste wirklich nichts anderes machen. Es war wie ein Traum für mich.

Derrick Taylor wurde am 20. November 1963 in Louisiana, USA geboren. Als „Daddy Cool“ verzückte er die Fans von Steiner Bayreuth (1991-1996), Bayer Leverkusen (1997-1999), Frankfurt (2000-2001) und Bamberg (2001-2005). Außerdem spielte der 72. NBA Draft-Pick des Jahres 1986 (Indiana Pacers) in der unterklassigen US-Liga CBA, in Belgien, Italien und Frankreich. In seinem letzten Spiel als Profi gewann Taylor, der seit 1995 die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, im Jahr 2005 die Meisterschaft mit GHP Bamberg. In der ewigen Korbjägerliste der Bundesliga belegt der 1,83 Meter große, ehemalige Point Guard den zweiten Platz mit 8.142 erzielten Punkten.

Interview David Hein

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