Belasten Laufschuhe Gelenke stärker als Barfußlaufen? Christian Riedel

Belasten Laufschuhe Gelenke stärker als Barfußlaufen?

  • Marco Heibel
Sind Laufschuhe schlimmer als Stöckelschuhe? Dämpfungselemente in modernen Laufschuhen sollen die Gelenke eigentlich entlasten. Doch möglicherweise passiert genau das Gegenteil. Eine neue Studie verunsichert Läufer weltweit.

Laufschuhe sollen Sprung-, Knie- und Hüftgelenk stärker belasten als Barfußlaufen, so das Ergebnis einer Studie der University of Virginia (USA). Schuld daran sei der Aufbau der Joggingschuhe: Dämpfungselemente wie Pronations- und Supinationsstützen, die Füße und Gelenke eigentlich entlasten sollen, sind demnach Gift für unsere Füße und Gelenke.

Barfußlaufen ist gesünder


Obwohl die neusten Laufschuh-Modelle meist richtig teuer sind, müssen teure Schuhe nicht unbedingt gut für uns sein. Und dass gedämpfte Joggingschuhe unsere Gelenke vor gefährlichen Belastungen schützen, ist ein Irrglaube. Weiche Dämpfungselemente mit Gel- oder Luftpolstern und ein stabiles Fußbett sollen den Fuß eigentlich stützen und so vor Fehlbelastungen bewahren, so die vollmundigen Versprechen der Sportartikel-Hersteller.



US-Forscher kamen jetzt zu einem anderen Ergebnis und verunsichern damit viele Läufer. Trugen Läufer Joggingschuhe, waren die auftretenden Kräfte an Sprung-, Knie- und Hüftgelenk größer als beim Barfußlaufen, lautet das Ergebnis der Studie. Dafür ließen die Wissenschaftler der University of Virginia 68 gesunde Sportler jeweils mit und ohne Schuhe auf einem Laufband laufen.

Dämpfungselemente in der Hacke sind Schuld


Alle Teilnehmer erhielten dasselbe Schuhmodell der Firma Brooks. Die Forscher wählten den Schuh deshalb aus, weil er neutrale Laufeigenschaften verfügt und vom Aufbau repräsentativ ist für die meisten Schuhmodelle auf dem Markt. Eine Hochgeschwindigkeitskamera erfasste dann die Laufbewegungen und machte eine spätere Analyse der auftretenden Kräfte am Computer möglich.

Besonders starke Kräfte traten der Studie zu Folge an Knie- und Hüftgelenk auf. An der Hüfte war die durchschnittliche Belastung sogar um 54 Prozent höher als beim Barfußlaufen. Die Forscher vermuten, dass die erhöhte Gelenkbelastung größtenteils von dem erhöhten Absatz und dem Stützmaterial unter dem Fußgewölbe verursacht würden. Die negativen Effekte seien eine Folge des typischen Aufbaus moderner Laufschuhe.

Neues Laufschuhdesign gefordert


Zu den Dämpfungssystmen im Hackenbereich zählen auch so genannte Pronationsstützen bzw. Überpronations- oder Supinationsstützen. Bisher fehlen aber wissenschaftliche Belege, dass solche Dämpfungselemente tatsächlich die Gesundheit von Läufern nachhaltig fördern. Deshalb fordern die Wissenschaftler die Entwicklung neuer Laufschuhe die den Fuß stützen ohne die Gelenke zusätzlich zu belasten.

Fehler im Studien-Design?


Was die Studie offen lässt, ist der Laufstil der Probanden. Es war ja auch vorher kein Geheimnis, dass beim Rückfußlauf, also dem Abrollen über die Ferse, die Belastungen in Knie- und Hüftgelenk höher sind als beim Mittelfuß- oder Vorfußlauf. „Vermutlich liegt aber genau da eines der Probleme, denn jahrelang wurde uns der Rückfußlauf als besonders gelenkschonend empfohlen. Und deshalb haben Laufschuhe ja auch einen erhöhten Fersensprung“, sagt Orthopädieschuhmachermeister Alexander Steinicke von footpower.

Beim Barfußlaufen ist man jedoch gezwungen, auf Vorfuß- oder Mittelfußlauf umzustellen, denn es ist äußerst unangenehm, beim Joggen eine längere Zeit barfuß über die Ferse abzurollen. Das tut auf Dauer weh. Und unser Fuß ist dafür auch gar nicht vorgesehen! Folglich sollte man auch mit Laufschuhen auf die natürlicheren Laufstile, den Vorfuß oder den Mittelfußlauf, umstellen. Denn nur so kann das Fußgewölbe die Stöße beim Laufen wirklich abfedern. Und das wiederum entlastet Knie- und Hüftgelenk.

Übrigens läuft man damit auch automatisch schneller bzw. effizienter, denn der Bodenkontakt beim Mittelfußlauf findet unter dem Körperschwerpunkt statt. Beim Rückfußlauf ist der Bodenkontakt jedoch vor dem Körper, was dazu führt, dass ein Teil der für den Vortrieb vorgesehenen Energie verloren geht und außerdem die Gelenke stärker belastet werden.

Das haben auch einige Schuhhersteller mittlerweile erkannt und bieten immer mehr Schuhe mit minimaler oder ohne Dämpfung an. Neben dem Nike Free gibt es bspw. auch den Laufschuh ohne Hake, Five Fingers oder Schuhe mit wenig Dämpfung von Innov8, die auf ein natürlicheres Abrollen über den Vorfuß setzen.

Ein hoher Fersensprung birgt aber noch ein anderes Problem: „Bereits eine leichte Erhöhung der Ferse führt zu einem Abkippen des Becken und zu veränderten Belastungen im Hüftgelenk“, sagt Alexander Steinicke und empfiehlt deshalb leichte Wettkampfschuhe mit möglichst niedrigem Fersensprung – auch für weniger ambitionierte Läufer. „Denn Dämpfungselemente in der Ferse katapultieren den Fuß beim Laufen nach vorne und sorgen so für Fehlbelastungen in den unteren Gelenken.“

„Wer bei der Wahl des richtigen Laufschuhs auf Nummer sicher gehen will, lässt von sich am Besten eine individuelle Bewegungsanalyse auf dem Laufband erstellen“, rät der Schuh-Experte. „Bei uns bekommt man dann beispielsweise eine Liste mit aktuellen, geeigneten Schuhmodellen.“

Ob die Ergebnisse auch für Läufer mit einer Fußfehlstellung oder X-Beinen bzw. O-Beinen gilt, lässt die Studie ebenfalls offen, denn untersucht wurden ja nur die auftretenden Kräfte an gesunden Läufern.

Weitere Informationen im PM&R Magazine

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