Auf der Suche nach der Secret Wave – River Surfer Dieter Deventer im Interview Dieter Deventer

Auf der Suche nach der Secret Wave – River Surfer Dieter Deventer im Interview

Dieter Deventer liebt die Welle. Vor 40 Jahren begründete er mit ein paar Freunden das River Surfing im Münchner Eisbach. Wie es dazu kam und was sich seitdem in der Surfer-Szene verändert hat, verrät er uns im Interview.
netzathleten: Dieter, Du giltst als Begründer des River Surfing in München. Wie bist Du darauf gekommen, auf dem Eisbach zu surfen?

Dieter Deventer: Los ging es vor gut 40 Jahren an der Floßlände in München. Dort sind ein paar Jungs und ich auf einem Holzbrett hin und her gefahren. Es war ein bisschen wie Wasserski. Wir hielten uns an einem Seil fest, weil wir damals noch gar nicht wussten, dass man sich auch ohne Verbindung zum Ufer auf der Welle halten kann. Das Ganze nahm dann seinen Lauf und wir haben angefangen, uns unsere ersten Surfbretter zu bauen. Da wir eine Clique waren, würde ich sagen, dass ich einer der ersten war, der in München River Surfing betrieben hat. Man muss sich vorstellen: Wir waren sechs bis acht Surfer und sind alle zusammen in den Semesterferien ans Meer gefahren – nach Sri Lanka oder Bali. Das Surfen wurde dort dann zur Passion und der Fluss ein bisschen zum Trainingsgelände, um für das Meer fit zu sein. Der Eisbach folgte erst einige Jahre später und da war ich anfangs gar nicht dabei, weil ich großen Respekt vor den Steinen  im Fluss hatte.

netzathleten: Dennoch hat es auch Dich in den Eisbach gezogen. Ist das Surfen im Fluss mit dem Surfen im Meer vergleichbar?

Dieter Deventer: Die Welle im Meer ist natürlich das ultimative Gefühl. Aber auch die Welle in München wird nie langweilig, obwohl sie gerade einmal ca. zehn Meter breit ist. Man kann schließlich stundenlang auf dieser Welle stehen und viel ausprobieren: Tricks, Sprünge und so weiter. Der Fluss ist nun mal in der Stadt und man hat natürlich nicht dieses Gefühl der Unendlichkeit wie am Meer. Der Hauptunterschied ist, dass Wellen im Meer einzigartig sind, man kann sie nicht wiederholen – jede Welle gibt es nur einmal. Die Welle im Fluss kann man vergleichen mit einer schulterhohen Welle im Meer. Die Energie beim Gleiten ist tatsächlich identisch. Der Unterschied ist, dass die Flusswelle immer an derselben Stelle steht. Im Meer muss ich die Welle erstmal erpaddeln und muss den Take-Off schaffen, um sie zu surfen – der Prozess ist also länger. Die Bewegungsabläufe im Meer sind wesentlich komplexer. Im Fluss ist es deshalb auch viel leichter, das Surfen anzufangen. Man muss nur die Fließgeschwindigkeit unter einem kapieren.

netzathleten: Wann beginnt die Surfsaison im Eisbach? Sind die Surfer eigentlich mit demselben Equipment ausgestattet, wie die im Meer?

Dieter Deventer: Surfen auf dem Eisbach ist immer möglich, solange das Wasser nicht ausgelassen ist. Hauptsaison ist, wenn das Wasser langsam warm wird, also ab Frühling bis in den Herbst. In München ist es mittlerweile eher wie in einer Arena. Da sind am Wochenende zahlreiche Zuschauer, was ich selbst gar nicht so toll finde. Früher haben wir noch versucht, den Eisbach geheim zu halten und haben Journalisten weggeschickt. Das ist heute nicht mehr möglich. Unterschiede im Equipment? Kommt drauf an, wo ich sonst im Meer surfe. In der Karibik brauche ich beispielsweise nur eine Badehose. Wenn ich aber über Weihnachten in Andalusien surfe, brauche ich einen warmen Wetsuit- 5mm. Den brauche ich im Eisbach im Herbst auch. Hier fährt man zudem kürzere Bretter, etwa 5-6 Fuß lang, die man im Meer selten fährt. Es gibt sogar speziell angefertigte Bretter für den Eisbach. Sie müssen schneller sein, damit die Strömung keinen Angriffspunkt hat, das Brett mitzunehmen. Und: Im Fluss habe ich immer meinen Helm auf, da es hier Felsen und Steine gibt.

netzathleten: Das Surfen hat sich bei Dir zu einer Leidenschaft entwickelt. 2011 hast Du sogar ein Buch veröffentlicht – „River Surfing: Flusswellen von München bis zum Amazonas“. Was hat Dich dazu bewegt, ein Buch herauszugeben?

Dieter Deventer: Das Buch ist aus der Liebe zum Surfen entstanden. Zudem bin ich als Kameramann und Fotograf ein visueller Mensch. Seitdem ich an der Floßlände bin, habe ich Fotos vom Surfen  gemacht. Dann habe ich einen Literaturagenten getroffen, der sofort auf das Thema River Surfing angesprungen ist und mir einen Verlag besorgt hat. Die Bilder hatte ich schon fast alle. Ich habe zusätzlich noch Surfer interviewt, an dem Layout gearbeitet und andere Fotografen ins Boot geholt, damit nicht nur Münchner Wellen zu sehen sind.

netzathleten: Wenn Du Dich zurückerinnerst – gab es besondere Momente auf dem Eisbach?

Dieter Deventer: Das Schönste auf dem Eisbach war und ist die Naturstimmung. Wenn man ganz früh aufsteht und es noch nebelig ist, wenn die Enten schwimmen und die Sonne durch die Bäume durchblitzt – das genieße ich sehr. Auch wenn man befreundete Surfer trifft oder mit seinen Töchtern surfen geht und eine tolle Session hat, ist klasse. Das sind Momente, die hängen bleiben. Nicht so schön ist, wenn zu viele Surfer anstehen. Dann kommt es zu Stress und die Stimmung ist nicht so gut.

netzathleten: Dieter, Surfer-Szene früher, Surfer-Szene heute – hat sich etwas verändert?

Dieter Deventer: Ja, die Surfer-Szene hat sich brutal verändert. Surfen ist von einer Randsportart zum Szenesport beziehungsweise Modesport mutiert. Als ich vor 40 Jahren auf Bali surfen war, gab es vielleicht vier Bretter im Verleih. Heute gibt es Surf-Kaufhäuser, das Ganze ist eine richtige Industrie geworden. Da herrscht ein unglaublicher Andrang. Gefühlt wollen alle surfen lernen. Gerade am Eisbach merkt man, dass es ein Modesport ist. Wir versuchen bereits mit der Stadt neue Wellen zu bauen, um dem Andrang gerecht zu werden. Es gibt kaum mehr eine Welle, die noch keiner kennt, da muss man schon sehr weit fahren. Als Surfer bist du immer auf der Suche nach der Secret Wave – nach der einen Welle, die einem für den Moment ganz allein gehört.

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